Opus Magnum "Die Wissenschaft vom Freien Willen": eine kognitionswissenschaftliche Theorie von Freiheit
Projektstatus: abgeschlossen Drittmittelprojekt
Die traditionelle philosophische Debatte über die Vereinbarkeit von Freiheit und Determinismus ist für das Freiheitsproblem insofern irrelevant, als die Frage, ob, und wenn ja, in welchem Maß, wir frei sind, für Kompatibilisten und Libertarier gleichermaßen davon abhängt, ob wir über gewisse Fähigkeiten verfügen. Daher ist die Freiheitsfrage in beiden Fällen nur von Philosophie und empirischen Wissenschaften gemeinsam zu beantworten: Erstere muss zeigen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit wir über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen und wir bzw. unsere Entscheidungen und Handlungen frei sind, letztere müssen klären, in welchem Maß diese Bedingungen in konkreten Entscheidungs- und Handlungssituationen erfüllt sind. Philosophische und empirische Erkenntnisse zusammen sprechen dabei für einen moderaten skeptischen Kompatibilismus: Einen Kompatibilismus, weil wir über die für Freiheit maßgeblichen Fähigkeiten der Kontrolle und normativen Einbettung auch in einer deterministischen Welt verfügen können; einen skeptischen Kompatibilismus, weil sich empirisch zeigt, dass wir diese Fähigkeiten seltener und in geringerem Maß ausüben können, als uneingeschränkte Freiheit es erforderte; und einen moderaten skeptischen Kompatibilismus, weil wir umgekehrt auch nicht völlig unfrei sind – Freiheit ist keine Alles-oder-nichts-Angelegenheit, sondern ein graduelles Phänomen. Die Kognitionswissenschaft hat jüngst gezeigt, dass viele unserer kognitiven und affektiven Leistungen in dem Sinne situiert sind, dass sie von unserem Körper, unserer Umwelt sowie unserer Interaktion mit ihr abhängen. Eine Synthese mit diesem Forschungsprogramm eröffnet für die Freiheitsdebatte neuartige Perspektiven: Wenn Freiheit an die Ausübung bestimmter Fähigkeiten gebunden ist, die auf komplexen kognitiven und affektiven Leistungen basieren, und wenn diese Leitungen üblicherweise (1.) von unserer körperlichen Verfasstheit (»embodied«) und (2.) von unserer Umwelt abhängig (»embedded«) sind und sich daher unter Umständen (3.) über die Grenzen unseres Körpers hinaus erstrecken (»extended« sind) und (4.) erst in der Interaktion mit der Umwelt entstehen (»enacted« sind), dann hängt auch Freiheit womöglich von unserem Körper, unserer natürlichen und sozialen Umwelt und unserer Interaktion damit ab und lässt sich in diesem Fall z.B. durch eine entsprechende Manipulation dieser Faktoren steigern. Dieser auf einem konstruktiven Austausch von Philosophie und Kognitionswissenschaft basierende Ansatz stellt eine oft ergebnislos diskutierte philosophische Debatte auf eine solide empirische Basis und trägt so dazu bei, einen Ausweg aus der fruchtlosen Sackgasse zu finden, in die sich Philosophie und empirische Wissenschaften in der Freiheitsdebatte während der letzten Jahre manövriert haben.