Krieg – Flucht – Terror. Welche Zusammenhänge gibt es?
- 16.11.2018
- „Krieg“, „Flucht“, „Terror“ sind erklärungsbedürftige Begriffe. Krieg verweist auf organisierte Gewalt, mit der Staaten unter meist massivem Einsatz von Waffen Interessen durchzusetzen versuchen. Terror meint bewaffnete Gewalt, die dazu nötigen soll, politische Forderungen beziehungsweise Ziele einzelner Gruppierungen zu erfüllen. Flucht verweist auf eine Form der Bewegung, bei der Menschen durch Ausübung oder Androhung von Gewalt mobilisiert wurden. Auf den ersten Blick scheint die Verbindung zwischen den drei Elementen eindeutig zu sein, weil alle Definitionen den Begriff Gewalt beinhalten: Krieg und Terror verweisen auf Gewalt als zentrales Mittel zur Durchsetzung von Interessen, im Falle von Flucht weichen Menschen vor Gewalt aus. Auf den zweiten Blick ist das Verhältnis komplexer: Flucht ist ein Ereignis, bei dem Gewalt eng mit sozialen und ökonomischen Verwerfungen sowie politischen Umbrüchen verbunden ist: Krieg zerstört Unternehmen als Arbeitgeber, erhöht die Lebenshaltungskosten, weil die Versorgung beeinträchtigt ist, erschwert die Arbeit von Organen, die Sicherheit und Schutz gewährleisten. Was also mobilisiert? Die Gewalt oder die Schwierigkeit, Geld zu verdienen, oder das Gefühl der Unsicherheit, weil Behörden überfordert sind? Die Antwort: Das Zusammenwirken macht die Dynamik des Prozesses aus. Allerdings: Solche Elemente, die Menschen in Bewegung setzen können, sind zugleich auch jene, die immobilisieren: Krieg vernichtet finanzielle Ressourcen, die nötig sind, um Bewegung realisieren zu können. Denn Flucht ist ein teures Unterfangen. Systematische Gewalt zerstört außerdem Verkehrssysteme, ist häufig verbunden mit Grenzschließungen, vermehrter Überwachung von Bewegung, dem Verbot der Ausreise, einer Immobilisierung durch Militärdienst. Organisierte Gewalt im Krieg und ihre Begleiterscheinungen können Menschen also zugleich mobilisieren und immobilisieren. Und falls eine Flucht möglich ist, dann meist nur über kurze Distanzen. Deshalb auch gibt es weltweit recht wenige Menschen, die über Staatsgrenzen hinweg fliehen können, trotz zahlloser Kriege. Der UNFlüchtlingshochkommissar zählte 2017 insgesamt 25 Millionen – bei einer Weltbevölkerung von 7,3 Milliarden. Gibt es weitere Zusammenhänge zwischen Krieg, Flucht und Terror? Terror soll Angst erzeugen und das Gefühl von Schutzlosigkeit. Wir kennen einzelne Fälle, in denen Staaten auf Terror mit Krieg reagierten und damit Fluchtbewegungen hervorriefen. Wir kennen auch einzelne Fälle, in denen sich Menschen, die einen Asylantrag gestellt hatten, als Terroristen erwiesen haben. Zu denken ist hier etwa an den Berliner Attentäter Anis Amri. Allerdings wissen wir auch, dass der allergrößte Teil der Terroristen in Europa der vergangenen Jahre keinen Fluchtbezug hatte und es keinen Beleg dafür gibt, dass Fluchtrouten systematisch für das Einschleusen von Attentätern genutzt worden sind. Nach Angaben des Globalen TerrorismusIndex sollen 2016 weltweit 25.673 Menschen bei Terroranschlägen ums Leben gekommen sein, darunter in Europa 168. Ihre Zahl ist in Westeuropa in den vergangenen fünf Jahrzehnten deutlich zurück gegangen. Vergessen werden sollte aber nicht, dass Terror ein Klima der Bedrohung erzeugen und Menschen alarmieren will. Es geht also bewusst um einen Angriff auf das Sicherheitsgefühl. Und gegen das Gefühl von Unsicherheit helfen Statistiken nur begrenzt. Politische und mediale Panikreaktionen allerdings ebenso wenig.