Form, Farbe, Duft. Warum sind Blüten so unterschiedlich?
- 15.11.2019
- Die Blütenpflanzen sind mit über 300.000 Arten mit Abstand die größte und höchstentwickelte Pflanzengruppe. Schon Charles Darwin war von der Vielfalt ihrer Blüten fasziniert und bezeichnete es als ein abscheuliches, schreckliches Mysterium, dass sich in einem relativ kurzen Zeitraum aus ursprünglichen, einfach aufgebauten Blüten so unterschiedliche Erscheinungsformen entwickelten. Blüten bilden männliche und weibliche Fortpflanzungsorgane, die den Pollen und die Eizellen produzieren und damit der Pflanze zur Produktion von Nachkommen dienen. Der Grund, warum wir einen Blumenstrauß verschenken, wenn wir jemandem eine Freude machen möchten, liegt aber nicht so sehr an der Attraktivität dieser Fortpflanzungsorgane, sondern an den schönen Blütenblättern, die als Hülle darum herum gebildet werden. Besonders bei Pflanzengruppen, die sich nicht selbst bestäuben können, variieren die Blütenblätter in ihrer Größe, Symmetrie, Anzahl und Farbe. Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis der spektakulären Blütenvielfalt! Ein großer Teil der Blütenpflanzen ist auf Tiere als Bestäuber angewiesen, um die Pollen von fremden Pflanzen zu ihren Blüten zu transportieren und dadurch eine Befruchtung der Eizellen und erfolgreiche Samenbildung zu ermöglichen. Im Gegenzug dafür versorgen die Pflanzen Bestäuber – wie Insekten, aber auch Fledermäuse oder Kolibris – mit eiweißhaltigem Pollen und süßem Nektar und locken sie mit verführerischen Düften an. Durch eine Koevolution von Blütenpflanzen mit ihren Bestäubern entwickelten sich aus einfach aufgebauten, ursprünglichen Blüten abgeleitete, komplexere Blüten und die wechselseitigen Abhängigkeiten nahmen zu. So werden beispielsweise die Lippenblüten der Löwenmäulchen von Hummeln bestäubt. Form, Farbe, Duft. Warum sind Blüten so unterschiedlich? Nur diese Insekten sind schwer genug, um durch ihr Gewicht die untere Lippe der Löwenmäulchenblüte herunterzudrücken und so Zugang in das Innere der Blüte zu erhalten, wo als Belohnung süßer Nektar angeboten wird. Dabei übertragen die Hummeln Pollen von zuvor besuchten Blüten auf die weiblichen Fortpflanzungsorgane der nächsten Blüte und sichern deren Fremdbestäubung und erfolgreiche Vermehrung. Für windbestäubte Blüten lohnt sich der Aufwand nicht, solche komplexen Blüten auszubilden. Sie produzieren eher unscheinbarere Blüten und finden sich daher selten in unseren Blumensträußen. Die Variabilität und Attraktivität der Blütenblätter führte dazu, dass Pflanzen mit schönen Blütenblattvarianten identifiziert und weiter gezüchtet werden konnten, wie die gefüllten Edelrosen. Während die ursprünglichen Wildrosen nur wenige Blütenblätter und zahlreiche männliche und weibliche Fortpflanzungsorgane entwickeln, bilden gefüllte Rosen zusätzlich viele weitere attraktive Blütenblätter aus. Dies geschieht allerdings auf Kosten der Fortpflanzungsorgane, die dann in ihren Blüten nicht mehr gebildet werden. Gefüllte Edelrosen sind Mutanten, Pflanzen mit einem natürlich aufgetretenen Defekt in einem wichtigen sogenannten Regulatorgen, das für die Entwicklung der männlichen und weiblichen Fortpflanzungsorgane notwendig ist. Diese Pflanzen können sich dann durch die fehlenden Reproduktionsorgane selbst nicht mehr weiter über Samen vermehren. Sie hätten ohne eine Kultivierung durch den Menschen wohl keine langfristige Überlebenschance in der freien Natur.