Religionsunterricht abschaffen? Wäre das Fach Ethik nicht zeitgemäßer?
- 15.11.2019
- Meine klare Antwort: Nein! Das Fach Religion nach Art. 7, 3 GG in gemeinsamer Verantwortung von Staat und Religionsgemeinschaften ist gegenwärtig so wichtig wie nie! Gesellschaftliche Herausforderungen spielen häufig im Feld der – nicht selten konfliktbehafteten – Begegnung zwischen Menschen verschiedener Kulturen, Religionen und Weltanschauungen eine Rolle. Diese stehen für (Glaubens-) Überzeugungen, Verhaltensweisen und Traditionen, die als persönlich identitätsstiftend und -sichernd für die Lebensgestaltungen erlebt und gelebt werden. Doch Ethik – so die kritischen Stimmen – sei zeitgemäßer, weil es den Staat doch nichts angeht, „was die Leute glauben“. Darum habe in der staatlichen Schule der Religionsunterricht nichts verloren, weil es vermeintlich ein Schulfach betrifft, das „unwissenschaftlich“ Meinungen als Wahrheit verkünde, und das sei in dieser Situation die falsche Wahl. Religionen seien demnach gewissermaßen irrational und Religionsunterricht Glaubensunterweisung am falschen Ort, nämlich in der Schule. Das aber darf und will der Religionsunterricht keineswegs sein! Glaubensunterweisung gehört in die Glaubensgemeinschaften, in Kirchengemeinden, Synagogen, Moscheegemeinden. Religionsunterricht in der öffentlichen Schule ist Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler. Er kann und muss unabhängig von seiner religionspädagogischen Begründung auch rein schulpädagogisch begründet werden. Religionsunterricht trägt, wie jedes andere Schulfach, zum Bildungsauftrag der Schule bei, indem er – egal, ob christlich, jüdisch, muslimisch – ein Ziel verfolgt: Zur Mündigkeit und Bildung beizutragen, indem er die Schülerinnen und Schüler zu verantwortlichem Denken und Handeln im Blick auf Religion und Glaube befähigt. Die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen, auch der Getauften und Gefirmten oder Konfirmierten unter ihnen, kennen den Glauben nicht, dem sie eigentlich angehören, und erleben religiöse Sozialisation in kirchlichen Gemeinden oder religiösen Gemeinschaften oft nicht. Entscheidungsfähigkeit und Selbstbestimmung in Sachen Religion und Glaube fordern hingegen, dass Schülerinnen und Schüler sich begründet und bewusst für oder gegen den Glauben entscheiden können. Dazu muss der Religionsunterricht drei Aufgaben erfüllen: – die Vermittlung von strukturiertem und lebensbedeutsamem Grundwissen über Religion und Glaube, mithin religiösem Grundwissen, – Bekanntmachen mit Formen gelebten Glaubens, weil Religion und Glaube mit Begegnung und Erfahrung mit gelebter Praxis, mit Sprach- und Ausdrucksformen, mit Handlungen, Symbolen und Gesten zu tun hat, und nicht nur „Bescheid wissen über Religionen“ meint, – schließlich muss er die religiöse Dialog- und Urteilsfähigkeit fördern. Dialog- und Urteilsfähigkeit beziehen sich auf Kommunikationsfähigkeit innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft, gegenüber nicht Glaubenden und anders Glaubenden, die sich in der Regel in jeder Schulklasse zusammenfinden. Religions- und Ethikunterricht eröffnen einen eigenen Modus der Welterfahrung.