Kinderarbeit, Ausbeutung, Umweltzerstörung. Welche Sicherheit bieten uns Nachhaltigkeitslabels?
- 12.11.2021
- Die Frage nach der Sicherheit von Nachhaltigkeitslabels möchte ich anhand eines Produktes erläutern, zu dem ich eine quasi körperliche Beziehung habe: Schokolade. In unserem Projekt CoVaCoa, das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert wird, beschäftigen wir uns am Beispiel von Ghana damit, wie der Kakaoanbau nachhaltiger werden kann. Dieser ist häufig mit schlechten Lebensbedingungen, Kinderarbeit und Abholzung verbunden. Gleichzeitig gibt es im Supermarkt kaum Schokolade ohne Nachhaltigkeitssiegel. Im Idealfall liegen diesen Siegeln transparente Kriterien zugrunde, deren Einhaltung durch neutrale Organisationen überprüft werden. Es gibt Bio-Schokolade, deren Kennzeichnung gesetzlich geschützt ist. Häufig zu sehen ist der Frosch der Rainforest Alliance, der zwar schwächere Kriterien hat, aber durch die Ausrichtung auf den Massenmarkt durchaus positive Effekte erzielt. Verwirrender wird es bei der Kennzeichnung als „Fair“ oder „Nachhaltig“. Die Begriffe sind nicht gesetzlich geschützt. Es gibt zum Beispiel die einheitliche Zertifizierung durch Mitglieder des internationalen Fairtrade-Verbands FLO, die durchaus vertrauenswürdig ist. Aber es gibt auch Eigenkennzeichnungen als „Fair“ oder „Nachhaltig“ von Unternehmen, mit zum Teil sehr bekannten Marken. Auch sie versprechen ökologische und soziale Verbesserungen. In manchen Fällen mag dies stimmen, da es aber schwer nachvollziehbar ist und meist neutrale Kontrollen fehlen, würde ich auf solche Produkte möglichst verzichten. Für unser Projekt war ich im September und Oktober mit Geographiestudierenden und einer Kollegin in Ghana. Vor Ort haben wir uns angesehen, wie die Bäuerinnen und Bauern leben, wie die Zertifizierung funktioniert und wie diese die Situation vor Ort beeinflusst. Die über 200 Bäuerinnen und Bauern, die wir interviewt haben, waren meist sehr arm. Viele von ihnen bauen übrigens bereits ihr Leben lang Kakao an, ohne jemals Schokolade gegessen zu haben. Die meisten sind Mitglieder in Kooperativen, und es sind diese Kooperativen, die die Zertifizierung organisieren und darauf achten, dass sich ihre Mitglieder an die Standards halten. Die Zertifizierungsorganisationen überprüfen jährlich die Kooperativen. Daneben gibt es unangekündigte Audits. Die einzelnen Kakaoproduzierenden werden dabei nur stichprobenartig überprüft – es sind zu viele, um sie alle regelmäßig zu kontrollieren. Damit ist auch eine Umgehung von Regeln möglich, aber in der Masse funktioniert das System. Und es bietet mehr Kontrolle und Anreize zu gutem Handeln als die nicht zertifizierte Produktion. Das Leben der Fairtrade-Bäuerinnen und -Bauern, die wir trafen, wird durch die Preisaufschläge für zertifizierten Kakao erheblich verbessert. Gleichzeitig wird vieles zum Besseren verändert: durch Schulungen, Aufklärung über die Folgen von Kinderarbeit und die bei Fairtrade vorgeschriebene stärkere Teilhabe der Frauen. Bislang kann aber nur ein Teil der Bäuerinnen und Bauern so profitieren. Im Supermarkt greifen zu viele nach den billigsten statt den nachhaltigsten Produkten. Wir alle können also zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Anbauländern beitragen, indem wir zu zertifizierter Schokolade greifen. Eine absolute Sicherheit, dass in allen Fällen alle Kriterien erfüllt werden, haben wir dabei nicht. Insgesamt können wir jedoch sicher sein, dass durch die Zertifizierung etwas zum Besseren bewegt wird.