Neues Rechnen. Wie funktioniert ein Quantencomputer?
- 12.11.2021
- Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten die Physiker, dass die Welt im Kleinen völlig anders tickt als die Welt im Großen. Zur Erinnerung: Um den Atomkern, positiv geladen, fliegen Elektronen, negativ geladen. Skaliert auf die Schlossaula, hätte der Atomkern die Größe eines Stecknadelkopfes und das Elektron würde längs der Wände seine Bahn ziehen. Aber Max Planck und seine Kollegen entdeckten, dass es grundsätzlich nicht möglich ist, die Position eines Elektrons in der Atomhülle zu berechnen, so wie es Johannes Kepler mit der Bahn der Erde um die Sonne gemacht hatte. Stattdessen können wir nur Wahrscheinlichkeiten angeben, wo es sein könnte. Erst wenn wir das Elektron messen, taucht es an einer bestimmten Stelle auf. Anders gesagt: Der Mond ist auch da, wenn wir nicht hingucken, aber das Elektron ist erst da, wenn wir es ansehen. Um die Sache noch verzwickter zu machen: Das Elektron, von dem wir nie wissen, wo es sich befindet, hat eine Drehachse. Manchmal zeigt sie nach oben, manchmal nach unten – und manchmal nach oben und nach unten gleichzeitig. Wir sprechen dann von der Überlagerung von zwei Zuständen. Damit ist das Qubit geboren, die kleinste Informationseinheit eines Quantencomputers. Im Gegensatz zum binären Bit, welches entweder 0 oder 1 ist, ist das Qubit im Zustand 0 und im Zustand 1 gleichzeitig. Erst wenn wir das Qubit auslesen, wird es sich mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten für die eine oder andere Variante entscheiden. Solche Qubits lassen sich in Supraleitern bei minus 273 Grad erzeugen und durch starke Magnetfelder auch manipulieren. Das heißt, ein Rechenschritt ist die Veränderung der überlagerten Zustände. Eine weitere Kuriosität ist die Verschränkung: Wir können im Labor zwei Qubits erzeugen, die sich komplett synchron verhalten, auch wenn sie anschließend Tausende von Kilometern voneinander entfernt werden. Messe ich das eine Qubit, tritt einer der beiden Zustände zutage, und genau derselbe Zustand wird bei seinem Zwilling gemessen. Einstein nannte das eine spukhafte Fernwirkung und wollte das einfach nicht wahrhaben. Die Stärke der Qubits tritt zutage, wenn ich mehrere zu einem Register kombiniere. Ein gewöhnlicher Digitalcomputer mit 16 binären Bits kann nur genau eine Sequenz von Nullen und Einsen speichern und die dann Schritt für Schritt verändern. Ein Quantencomputer mit zehn Qubits hingegen speichert 2 hoch 10 = 1.024 Zustände gleichzeitig und in einem Rechenschritt können nun alle zehn Qubits gleichzeitig verändert werden. Erst wenn dieses Register ausgelesen wird, tritt eine konkrete Sequenz von zehn Nullen oder Einsen zutage. Der amerikanische Mathematiker Peter Shor hatte 1994 einen ersten Quantenalgorithmus entwickelt, mit dem sich die Faktoren ermitteln lassen, die in einer Zahl versteckt sind. Und sieben Jahre später baute die Firma IBM den ersten Quantencomputer bestehend aus sieben Qubits und zerlegte mit dem Shor-Algorithmus die Zahl 15 in die Teiler 3 und 5. Google stellte 2019 einen Quantencomputer mit 54 Qubits vor, der eine spezielle zahlentheoretische Aufgabe in 200 Sekunden gelöst hat, für die ein Supercomputer 10.000 Jahre gebraucht hätte. Quantencomputer können, wenn sie mal mit Tausenden von Qubits gebaut werden, physikalische Simulationen, biologische Prozesse und chemische Reaktionen in einer Qualität berechnen, die mit konventionellen Supercomputern nicht machbar wären. Weiterhin wären Sie in der Lage, in großen Zahlen versteckte Teiler zu finden und könnten dadurch die heute üblichen Verschlüsselungsverfahren knacken. Die CIA freut sich schon.