Fliegen, Fahren, Fleischkonsum. Sind wir zu einem Verzicht als Mittel gegen die Klimakrise bereit?
- 12.11.2021
- Als im August der Bericht des Weltklimarats zu den Klimawandelfolgen vorlag, rief UN-Generalsekretär António Guterres erneut zum Klimaschutz auf: „Die Alarmglocken sind ohrenbetäubend, und die Beweise sind unwiderlegbar.“ Auch die WHO warnte eindringlich vor den Folgen des Klimawandels. Groß waren daher die Erwartungen an die UN-Klimakonferenz in Glasgow. Viele forderten ein Ende der Schönrechnerei, einen Wendepunkt in der Klimapolitik. Inwieweit dies gelungen ist, konnte man in den Medien mitverfolgen. Die gestellte Frage richtet den Blick auf jeden Einzelnen, unseren Fußabdruck. Zu Recht, denn um den Klimawandel zu begrenzen braucht es nicht nur Ziele, Abkommen, Maßnahmen. Es braucht die Mitwirkung der Bevölkerung, die die Dringlichkeit des Klimaschutzes anerkennt, Maßnahmen bejaht und bereit sein muss, einen Beitrag zu leisten. Aber wie sieht es mit Problembewusstsein, Akzeptanz und Handlungsbereitschaft in der Bevölkerung aus? Auch wenn es eine Gegenbewegung von Skeptikern und Leugnern gibt, das Gros der Bevölkerung ist überzeugt, dass der Klimawandel durch menschliches Handeln (mit)verursacht wird. Das Problembewusstsein ist deutlich angestiegen, wie das Politbarometer zeigt: Allein zwischen 2018 und 2019 stieg der Anteil derjenigen, die Klimaschutz als eines der wichtigsten Probleme sehen, von sechs auf 59 Prozent. In diesem Zeitraum nahmen auch die Sorgen um Klimawandelfolgen um mehr als zehn Prozentpunkte zu, so ein Ergebnis der SOEP-Befragung; und der ARD-DeutschlandTrend ergab, dass 83 Prozent der Bevölkerung (sehr) großen Handlungsbedarf beim Klimaschutz sieht. Nicht nur die Fridays for Future-Bewegung, sondern auch das Erleben von Extremwetterereignissen dürfte das Problembewusstsein bestärkt und die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen vergrößert haben. Aber hat dies auch die persönliche Handlungsbereitschaft gesteigert? Zwar sagen viele, bereit zu sein, ihr Alltagshandeln zu ändern. In einer Forsa-Umfrage fällt die Verzichtsbereitschaft in den Konsumbereichen aber verschieden aus: Sie ist hoch bei Inlandsflügen, jedoch niedrig, wenn es um Fleischkonsum und Pkw-Nutzung geht. In empirischen Studien lässt sich häufig eine Diskrepanz zwischen Umweltbewusstsein und Verhalten beobachten. Eine vielfach untersuchte Annahme ist die von Diekmann und Preisendörfer bereits in den 1990er-Jahren entwickelte „Low Cost Hypothese“. Ihr Grundgedanke: Umwelteinstellungen beeinflussen das Umweltverhalten, wenn eine Verhaltensänderung mit geringen Kosten verknüpft, also nicht zu groß, zu teuer, zu unbequem ist. Sind die Kosten dagegen hoch, eine Verhaltensänderung also voraussetzungsvoll und zeitaufwendig, erfordert sie das Loslösen von eingespielten Routinen, so spielen häufig andere Faktoren eine größere Rolle. Fliegen, Fahren, Fleischkonsum? Ein Verzicht auf das Auto, der ohne Infrastruktur schwer realisierbar ist und mit Komfort- und Zeitverlust, manchmal auch Sorge um Statusverlust einhergeht, dürfte für viele hohe Kosten implizieren. Ähnliches gilt für Fernreisen mit Flugzeug. Und Fleischkonsum? Der Fleischverzehr sinkt, dennoch sind nur wenige bereit ihre Ernährungsgewohnheiten komplett aufzugeben. Vielleicht auch, weil sie noch nicht davon überzeugt sind, dass diese Verhaltensänderung klimawirksam ist. Problembewusstsein reicht nicht aus. Es braucht einen Wertewandel, damit klimafreundliches Verhalten nicht länger mit Verzicht assoziiert wird. Sind wir zu klimafreundlichem Verhalten als Mittel gegen die Klimakrise bereit? Diese Frage möchte ich mit einem „Es kommt-auf-uns-an“ beantworten.