Ist Europa ein Zukunftsmodell für die Welt?
- 07.11.2008
- Diese Frage muss man differenziert behandeln: Europa hat sich vor ca. 500 Jahren auf den Weg gemacht, die Welt zu erobern und ging davon aus, ein Zukunftsmodell für die Welt zu sein. Das hat die Welt bis in die Gegenwart nicht recht zu Überzeugen vermocht. Die Antwort auf die Frage kann daher nur vorsichtig ausfallen. Ich beschränke mich darauf, unter "Europa" die politische Organisationsform der EU zu verstehen. Die EU beginnt zunächst als Versuch der regionalen wirtschaftlichen Integration, die auf freiem Handel der Mitgliedstaaten und gemeinsamen Zöllen gegenüber anderen Staaten basiert (Zollunion), dies begründet ihren Modellcharakter. Auch die Welthandelsorganisation akzeptiert diese Form der Wirtschaftsintegration, solange sie nicht zur wirtschaftlichen Abschottung führt ("offener Regionalismus"). Ökonomen weisen bereits auf dieser eingeschränkten Ebene der Zollunion darauf hin - dass sie nur für wirtschaftlich entwickelte Staaten wachstumsfördernd wirkt, ärmeren Staaten aber kaum Vorteile bringt. Das heißt: NAFTA oder - bislang weniger Überzeugend - ASEAN haben gute Chancen, analog zur EU die regionale Wirtschaftskraft zu stärken; für Afrika muss man da mehr Zweifel haben. Für weiter reichende Modellvorstellungen wie die Europäische Währungsunion oder die EU als politische Gemeinschaft sind die Nachahmungsaussichten skeptischer zu beurteilen, wie man schon an der europäischen Praxis erkennt. Die Währungsunion umfasst nur eine "Teilmenge" der EU, denn einige EU Mitglieder erfüllen die wirtschaftlichen Kriterien nicht, andere halten sich aus politischen Gründen zurück (GB, Schweden, Dänemark). Die EU scheint hier an die Grenzen des eigenen Modells zu stoßen, das den nationalen Souveränitätsverzicht zugunsten gemeinschaftlicher Lösungen impliziert. Deutlich wird dies auch an der zögerlichen Entwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Dies irritiert deutsche Muster-Europäer, was aber nur auf den mittlerweile sehr hohen Vergemeinschaftungsgrad in der EU hinweist. Denn man muss sich vergegenwärtigen, dass Staaten ihre Legitimation aus nationaler Selbstbestimmung ableiten und daher im Regelfall auf ihr bestehen werden (müssen). Die Geschichte der europäischen Integration der letzten 60 Jahren war ein Sonderfall. Sie resultierte aus der traumatisierenden Erfahrung zweier Weltkriege, wurde durch die politische und materielle Unterstützung der USA befördert und war zudem eingebettet in die Konstellationen des Kalten Krieges sowie eine dadurch ermutigte paneuropäische Vision. Man kann also der EG / EU bislang als Friedensprojekt großen Erfolg bescheinigen; man kann sich auch von den Bemühungen der EU, regelmäßige und vertrauensvolle Kooperation zu institutionalisieren, inspirieren lassen. Man muss aber angesichts ihrer voraussetzungsvollen Geschichte doch bezweifeln, dass sich dieses europäische Modell anderswo einfach "nachbauen" lässt.