Was ist die Sprache der Zukunft?
- Utz Maas
- 07.11.2008
- Mit Sprache kann man sehr Unterschiedliches verbinden. Wir können mindestens drei Sprachkonzepte unterscheiden: (1) die Sprache, mit der jeder aufwächst: Die Familiensprache, (2) die Sprache im öffentlichen Raum: Im Beruf, auf Reisen -die Verkehrssprache, (3) die Sprache, in der jeder seine Persönlichkeit entwickelt und auf die Herausforderungen der Umwelt reagiert. Für jedes dieser Konzepte ist die Antwort auf die gestellte Frage eine andere. 1. Bei den Familiensprachen wird die Buntheit der Sprachlandschaft in der Zukunft zweifellos größer: Wo bisher in einem Land wie Deutschland nur regionale / mundartliche Verschiedenheiten im Blick waren, leben wir längst mit einer wachsenden Vielfalt von Familiensprachen: Russisch, Türkisch, Tamil, Arabisch... Diese Vielfalt löst sich auch nicht einfach im Laufe der Zeit auf. 2. Unser Leben wird zunehmend unmittelbar von einem internationalen Verkehrsraum bestimmt, für den sich längst Englisch als Verkehrsprache etabliert hat - wobei mit Verkehrssprache etwas gemeint ist, wie auch andere Verkehrsmittel, mit denen wir umgehen können müssen. Es gibt noch regional eingeschränktere Verkehrsräume (mit Französisch, Spanisch, in Osteuropa auch Deutsch u. dgl.), Englisch ist dagegen "global" gesetzt - aber eben instrumentell: Als Verkehrssprache. Dieses internationale Englische ist nicht die Sprache, die Engländer als Muttersprache sprechen und nicht die Sprache der reichen englischen Literatur. 3. Das Leben / die Welt wird zunehmend symbolisch verschlüsselt. Erfolgreiches Mitspielen setzt heute schriftkulturelle Fähigkeiten voraus, wo vor 50 Jahren noch kommunikative Praktiken ausreichten. Die Schriftsprache wird als Ausbau der sprachlichen Fertigkeiten angeeignet, die in der Regel mit der Familiensprache erworben wurden (bei zweisprachigen Migranten liegen die Verhältnisse etwas komplexer): Sie muss in diesen verankert werden, wenn die nötige Sicherheit erreicht werden soll. Das ist eine Frage des Sprachausbaus, dessen Horizont auch weiterhin national sein wird: In der deutschen Gesellschaft anders als in der englischen, französischen, litauischen... Macht man solche Unterscheidungen nicht, läuft man Gefahr, das Kind mit dem Bade auszuschütten: Wer für Mehrsprachigkeit plädiert, aber den schriftkulturellen Sprachausbau ignoriert, argumentiert auf Kosten derer, die von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgegrenzt werden. Wer "modern" für die Verallgemeinerung / Durchsetzung des Englischen ist, übersieht ebenfalls die Probleme des Sprachausbaus, während die verbreiteten Abwehrreaktionen gegenüber dem Englischen die materiellen gesellschaftlichen Zwänge ignoriert, die mit diesem als internationalem Verkehrsmittel verbunden sind.