Warum dreht sich die Erde?
- 13.11.2009
- Ein Raumfahrer, der von oben auf den Nordpol der Erde blickt, stellt fest, dass sich die Erde gegen den Uhrzeigersinn dreht – ein Astronom würde diese Rotation als retrograd bezeichnen. Aus größerem Abstand erkennt der Raumfahrer, dass der Mond die Erde retrograd umkreist, dass Erde und Mond gemeinsam die Sonne retrograd umkreisen, und dass sich die Sonne ebenfalls retrograd dreht. Aber nicht nur das Sonnensystem rotiert; auch Galaxien drehen sich, wie an den Spiralarmen erkennbar. Diesen Gleichlauf erklären Wissenschaftler aus der Entstehung des Sonnensystems. Vor 4,6 Milliarden Jahren kollabierte eine, natürlich retrograd rotierende Gas- und Staubwolke derart, dass in ihrem Zentrum ein Gasball entstand. Dieser zog sich weiter zusammen bis in seinem Innern der Wasserstoff zu Helium verschmolz: die Sonne entstand. Sie rotierte ebenso wie der sie umgebende Rest der Wolke retrograd. Diese äußere Wolke wurde einerseits von der Sonne angezogen, andererseits wie auf einem Karussell durch die Zentrifugalkraft nach außen gedrängt: es entstand um die Sonne eine rotierende Scheibe aus Gas und Staub. Der Staub begann zu verklumpen, es bildeten sich größere Staubkörner – ähnlich dem Zusammenwachsen kleiner zu größeren Regentropfen. Die Körner in diesem Staubwirbel stießen immer wieder zusammen und verklumpten weiter, so dass sich erst Gesteinsbröckchen, dann immer größere Brocken bildeten. Was diese entlang ihrer Bahn an verbliebenen Staubkörnern fanden, sammelten sie ein und wuchsen weiter. Nach einer Zeit vieler Stöße zwischen mehr oder weniger großen Gesteinsbrocken und Staub bildeten sich vor ungefähr 4,5 Milliarden Jahren die Planeten. In den ersten Jahrmillionen ihrer Existenz wurden sie weiterhin vom Staub und mehr oder weniger großen Gesteinsbrocken bombardiert. Was die Planten in ihrer Entstehung jedoch nicht verloren, war der ursprüngliche Drehsinn: sie rotieren, mit Ausnahme der Venus, retrograd. Ohne die Drehung der anfänglichen Gas- und Staubwolke würde unser Sonnensystem anders aussehen. Insbesondere würden die Planeten nicht in einer Ebene liegen. Hätte die Erde nicht die ursprüngliche Drehung beibehalten, so würde auf der der Sonne zugewandten Seite immer Tag herrschen, auf der der Sonne abgewandten Seite dauerhafte Nacht. Zwischen der kalten Nacht- und der heißen Tagseite würden heftige Stürme toben, Sonnenauf- und Untergänge würden fehlen, ebenso wie Ebbe und Flut. Das Erdmagnetfeld fehlte ebenfalls, da es wie in einem Dynamo aus der Rotation der Erde erzeugt wird. Allerdings würden »wir« all dies nicht bemerken: die Entwicklung höheren Lebens auf der Erde hat die Abschirmung der kosmischen Strahlung durch das Erdmagnetfeld benötigt. Ob sich überhaupt Leben auf der Erde entwickelt hätte, wissen wir nicht. Dass es sich in der uns heute gewohnten Form entwickelt hätte, ist jedoch hochgradig unwahrscheinlich. Zusammengefasst also: auch wenn meine Antwort die Frage nur von »Warum dreht sich die Erde« auf »Warum hat sich die Gas- und Staubwolke gedreht, aus der das Sonnensystem entstanden ist« verschoben hat: die Erde dreht sich – und das ist gut so.