Lotuseffekt und Klettverschluss -
Ist die Natur der Forschung meilenweit voraus?
- 13.11.2009
- In der Natur existieren vielfach in ihrer Komplexität und Funktionalität geradezu erstaunliche Lösungen für technische Probleme. Hierzu gehören etwa natürliche Oberflächen, die spezielle Haft- und Antihafteigenschaften oder spezielle Benetzungseigenschaften besitzen. So verfügen fleischfressende Pflanzen über raffinierte Vorrichtungen, mit welchen sie Insekten, die ihrerseits an senkrechten Wänden und Decken problemlos haften, nicht nur in ihre Fallen locken, sondern auch an der Flucht hindern. Insekten, aber auch größere Tiere, haben komplizierte Adhäsionssysteme an ihren Füßen, die häufig aus mehreren hierarchischen Strukturebenen bestehen, welche jeweils bestimmte Funktionen innehaben. Auch der Lotuseffekt beruht auf der hierarchischen Oberflächentopographie der Lotusblätter kombiniert mit bestimmten chemischen Oberflächeneigenschaften. Allerdings stirbt vor den Küsten Floridas Jahr für Jahr eine nicht unerhebliche Anzahl der ohnehin vom Aussterben bedrohten Seekühe durch Kollisionen mit Sportbooten, so dass es entweder den Seekühen an Robustheit mangelt oder die Bootsführer (diese sind auch ein Teil der Natur) rücksichtslos und unfähig sein müssen. Auch erinnere ich mich an eine Katze, die ungeachtet ihrer sonstigen Fähigkeiten regelmäßig mit hoher Geschwindigkeit gegen geschlossene Glastüren rannte – wobei allerdings beide Seiten, Katze und Glastüren, in der Regel überlebten. Nun ist die Natur keine Person, sondern ein sehr komplexes System, dass in keiner Weise zentral gesteuert wird. Verschiedene Lebewesen passen sich darin schneller oder langsamer an veränderte Gegebenheiten an, beispielsweise die Seekühe an die Sportboote, oder die Menschen an die veränderte Ernährungssituation im Industriezeitalter. Häufig wird diese Anpassungsleistung durch Umfunktionierung von Merkmalen, die ursprünglich einem ganz anderen Zweck dienten, auf höchst ökonomische und ressourcenschonende Weise erreicht, während alles, was diese Anpassung nicht schafft, verschwindet. Es existiert kein technologischer Wettbewerb zwischen der »Natur« und dem »Menschen«, letztlich ist menschliche Forschung sogar ein Teil des Systems Natur. Einerseits sind wir weit davon entfernt, wie die Natur komplexe hierarchische Systeme aus vielen verschiedenen Komponenten zu schaffen, die von der molekularen bis zur makroskopischen Ebene an den hierfür genau richtigen Orten ihre Funktionen übernehmen. Andererseits kann man heute für viele Probleme unter Verwendung natürlicher Designprinzipien technische Lösungen finden, wie etwa den Klettverschluss. Jedoch existieren für viele Lösungen technologischer Fragestellungen keine natürlichen Vorbilder. So werden durch menschliche Forschung und Entwicklung völlig neue technologische Konzepte kreiert. Für das Internet, die Siliziumtechnologie oder die breite Nutzung elektrischer Energie zur Verrichtung mechanischer Arbeit gibt es beispielsweise keine natürlichen Vorbilder.