Leben wir in der Zukunft länger? Sind wir gesünder? Wer fühlt sich eigentlich noch alt?
- Dieter Otten
- 13.11.2009
- Leben wir länger? Eindeutig ja, denn seit den 1970er Jahren wächst die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen kontinuierlich. Sie liegt heute für Frauen bei 90 und für Männer etwas über 80 Jahre. Diese Lebenserwartung wird weiter steigen. Allein in Japan hat sich die Zahl der Menschen über 100 in den letzten sechs Jahren auf 40.399 Personen verdoppelt. Wer heute geboren wird, dem sagen Forscher eine Lebenserwartung von mehr als 100 Jahren voraus. Mit riesigen Sprüngen geht die Lebenserwartung insbesondere in den Entwicklungsländern nach oben. Für 2050 werden auf der ganzen Welt zweieinhalb Millionen vorausgesagt, die dann über 100 Jahre sind. Einer der Gründe für den Altersboom ist das Höchstalter der Menschen. Anfang 2009 war die Usbekin Tuti Yusupowa mit 128 Altersweltrekordlerin, im März 2009 machte ihr die Kasachin Skan Dosova mit 130 Jahren den Titel streitig. Für 2050 wird erwartet, dass die ältesten Menschen locker die 150 erreichen. Der Bioinformatiker Aubrey de Grey ist gar der Meinung, dass man »Alter« als Krankheit auffassen und bekämpfen kann. Jüngste Forschungsergebnisse in der Medizin scheinen ihm Recht zugeben; ein Höchstalter von 200 Jahren ist theoretisch nicht ausgeschlossen. Sind wir gesünder? Eindeutig JEIN. Natürlich hat das wachsende Lebensalter der Menschen mit besserer medizinischer Versorgung zu tun. Die großen Volkskrankheiten werden heute frühzeitiger erkannt, vorbeugend behandelt und besser kuriert. Entscheidend aber sind Lebensstil und Wissen. Frauen werden im Schnitt älter als Männer, weil sie bewusster und vorsichtiger, »interventionistischer« sind. Männer sterben früher, weil sie auf vieles pfeifen und »nihilistisch« leben. Aber der Lebensstil der Frauen ist auf dem Vormarsch. Auch bei Männern nehmen Bildung- und Wissensstand zu und der »nihilistische Lebensstil« ab. Nie war die Bevölkerung fitter und hat sich gesunder ernährt als jetzt. Aber: Für weite Teile der Weltbevölkerung gilt das leider nicht. Sie werden durch mangelndes Wissen, Armut und religiöse Doktrinen gehindert, so zu leben wie sie könnten. Auch bei prekären Schichten und jüngeren Menschen erkennen wir eine Renaissance nihilistischer Lebensstile. Fastfood, Fettleibigkeit und Komasaufen lassen grüßen. Für Jüngere allerdings besteht Hoffnung, denn wer mit 40 umsteuert, bei dem ist noch nichts verloren. Wer fühlt sich noch alt? Die große Entdeckung der 50+ Forschung ist, dass die Zahl der Menschen über 60 ständig zunimmt, die sich auch mit 70 oder 80 nicht alt fühlt, nicht als alt angesehen wird und auch nach allen Kriterien gemessen nicht alt ist. Auf mehr als Zweidrittel der älteren Menschen in unserem Land, also auf rund 15 Millionen trifft das zu. Nur eine Minderheit von etwa 25 Prozent der Älteren versteht sich noch als alt. Dabei dominieren die Jahrgänge vor 1930. Mit wachsender Lebenserwartung und steigendem Höchstalter ist anzunehmen, dass sich bald nur noch die alt fühlen, die gebrechlich oder pflegebedürftig sind. Die Moderne steuert auf eine Gesellschaft zu, in der Alter keine Rolle mehr spielt. Obwohl wir immer älter werden, nimmt die Zahl der Alten ab! Alle demographischen Katastrophen Prognosen gehören daher schnellstens auf den Prüfstand.