Ist der Zölibat für Bischöfe und Priester noch zeitgemäß?
- 13.11.2009
- Der Zölibat, von lateinisch caelebs, allein lebend, findet sich im Kirchenrecht: »Die Kleriker sind gemäß Kanon 277 § 1 CIC gehalten, geschlechtliche Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren; daher sind sie zum Zölibat verpflichtet.« Der Verpflichtungscharakter liegt nicht – wie bei Ordensleuten, die die Evangelischen Räte Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam versprechen – in einem Gelübde (c. 599), sondern in einem kirchlichen Gesetz. Von diesem Gesetz kann, allerdings nur durch den Papst, in der Form der Laisierung dispensiert werden. Das heißt aber auch: Ein kirchliches Gesetz kann verändert werden, wenngleich die katholische Kirche im Zölibat mehr sieht als ein Kirchengesetz. Theologisch besteht heute Einigkeit darüber, dass ein notwendiger Zusammenhang zwischen Priestertum und Ehelosigkeit nicht erwiesen werden kann. Der Zölibat kann wohl aber angemessen sein. Und da sind wir bei der Frage: Ist der Zölibat heute noch zeitgemäß? Die Frage ließe sich auch so formulieren: Ist er noch angemessen, angesichts der Gegenwartssituation von Glaube und Kirche? Ist er noch ein sprechendes Zeichen, das radikal auf Jesus Christus und sein Evangelium verweist? Das Neue Testament selbst kennt eine Verpflichtung zur zölibatären Lebensweise nicht. Nur die Ehelosigkeit »um des Himmelreiches willen«, wie es im Matthäusevangelium und im Ersten Brief des Apostels Paulus an seine Gemeinde in Korinth heißt, wurde als Wert anerkannt. Im Hintergrund steht die Parusieerwartung, dass heißt der Glaube an die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Christi: Es lohnte sich buchstäblich nicht mehr zu heiraten! Universalkirchlich verbindliche Festlegungen der zölibatären Lebensform für Kleriker finden sich denn auch erst im Mittelalter: Die gregorianische Reform, nach der Ehen von Klerikern als ungültig anzusehen sind, verteidigt das Konzil von Trient gegen die Einwände der Reformation. Unumstritten war die gesetzliche Regelung nicht. Im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil entwickelt sich eine heftige Diskussion um den Zölibat, die bis heute anhält und die die nachkonziliaren Päpste mit der Bekräftigung der geltenden Regeln beantworten. Gegenwärtig stellen sich – und so verstehe ich »zeitgemäß« – vor allem praktisch-theologische Anfragen an den Zölibat. Ist er noch ein überzeugendes Zeichen der Nachfolge Jesu Christi, das andere in ihrer Lebenssituation und in ihrem Glauben stärkt? So versteht sich nämlich die Ehelosigkeit der Ordensleute. Als Verpflichtung für die Übernahme des geistlichen Amtes der Weltpriester hingegen, von denen sicher viele sich auch ähnlich verstehen, ist er für viele Zeitgenossen, auch für viele Katholikinnen und Katholiken, zu einem unverständlichen Zeichen geworden: Eine veränderte Sicht und Wertschätzung menschlicher Sexualität, die Pluralität von Lebensentwürfen und -modellen und das häufige Scheitern an der Lebensform des Zölibats haben ihn zum »Dauerbrenner« innerkirchlicher und gesellschaftlicher Diskussion gemacht. Vor allem ist es der gravierende Priestermangel, nicht nur in Deutschland, der zwar nicht nur, aber eben doch wesentlich auch vom Zölibat mitbewirkt wird, der zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der verpflichtenden Verbindung von Zölibat und Priesteramt herausfordert. Der Zölibat kann ein solches Zeichen sein, muss es aber nicht, vor allem nicht exklusiv.