Wie entstehen Gedanken und Gefühle?
- 12.11.2010
- Primär entstehen Gedanken und Gefühle natürlich im Gehirn. Die Amygdala z.B. gilt als Zentrum affektiver Bewertung. Läsionen dort führen dazu, dass Gefahrensituationen zwar kognitiv erkannt, aber affektiv nicht korrekt bewertet werden. Auch Gedanken entstehen im Gehirn. Der Gyrus fusiformis zum Beispiel ist für die Gesichtserkennung zuständig, der Gyrus parahippocampalis für die Repräsentation von Landschaften und Gebäuden. Durch Messung der Gehirnaktivität in diesen Arealen konnten Forscher 2000 daher sagen, ob Versuchspersonen an Personen oder Orte dachten. Es geht noch genauer: Es wurden kleine Neuronengruppen oder gar einzelne Neurone identifiziert, die nur dann aktiv waren, wenn Versuchspersonen Fotos von zum Beispiel Jennifer Aniston, Oprah Winfrey oder der Oper von Sydney sahen beziehungsweise den Namen hörten oder lasen. Allerdings, man verzeiht es ihm, feuerte das »Oprah Winfrey Neuron« auch bei Whoopie Goldberg. Gedanken und Gefühle haben auch evolutionären Ursprung. Wir stehen auf Fettiges und Süßes, weil kalorienreiche Nahrung für unsere Vorfahren vorteilhaft war, die sich auf ihrem Savannentrip zwar Säbelzahntigern, aber noch nicht der unausgesetzten Versuchung durch Quarter Pounders und Triple Caramel Fudge Macchiati erwehren mussten. Dass der moderne metrosexuelle Mann trotz allem auf junge, vollbusige Blondinen steht, Frauen ungeachtet aller Emanzipation aber nach wie vor den dominanten, wohlhabenden Anzugträger mit grauen Schläfen bevorzugen, liegt, der Evolution sei’s gedankt – oder auch nicht –, ebenfalls nicht (nur) an uns, sondern am Fortpflanzungszwang bzw. -drang unserer Vorfahren. Schließlich unterliegen Gefühle und Gedanken unbewussten Einflüssen. Warum die eine Architektin in Augsburg, der andere Barista in Berlin wird, ist uns weniger klar als wir meinen. Eine Studie 2002 zeigte, dass Frauen namens Florence und Männer namens George überproportional häufig nach Florida bzw. Georgia ziehen, dass nach Five Points, Alabama, überproportional viele am 5.5. Geborene ziehen und dass Frauen namens Denise überproportional häufig Zahnarzt (»dentists«) werden, ebenso wie Männer namens George Geowissenschaftler. Das rationalistische Ideal verklärt den Gedanken und verdammt das Gefühl, aber gefühlsgeleitete »Bauchentscheidungen« erweisen sich gerade in komplexen Entscheidungssituationen als faszinierend erfolgreich. »Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt«, schrieb Blaise Pascal. Wir sollten diesen Herzensgründen öfter folgen, auch wenn sie uns als Barista nach Berlin – oder als Professor nach Osnabrück – beordern.