Stirn, Nase, Mund. Verrät unser Gesicht den Charakter?
- Susanne Haberstroh
- 12.11.2010
- »Das Gesicht ist ein Abbild der Seele«, so nahm bereits Cicero vor über 2.000 Jahren an. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass auch heutzutage rund drei Viertel der Befragten der Ansicht sind, dass sich der Charakter einer Person in deren Gesicht zeigt. Ist an dieser laienpsychologischen Annahme etwas Wahres dran? Lässt man Probanden Gesichter bewerten, so kann man zum einen beobachten, wie sehr die Einschätzungen durch verschiedene Beurteiler übereinstimmen – wie einig sich also Personen darin sind, welche Charaktereigenschaften sie entdecken können, unabhängig davon, wie akkurat diese Einschätzungen sind. Und tatsächlich zeigt sich in Bezug auf einige Merkmale wie Extraversion, Dominanz oder auch Vertrauenswürdigkeit eine große Übereinstimmung zwischen verschiedenen Beurteilern. Personen sind sich also weitgehend darin einig, wer Vertrauenswürdigkeit oder Dominanz ausstrahlt. Aber liegen sie mit dieser Einschätzung richtig? Vergleicht man die Beurteilungen des Gesichts einer Person durch andere mit der Selbsteinschätzung dieser Person oder mit ihrem Verhalten, so zeigt sich das berühmte »kleine Körnchen Wahrheit« – allerdings scheint es sich um ein tatsächlich sehr kleines Körnchen zu handeln. Für einige Merkmale wie zum Beispiel Extraversion oder Gewissenhaftigkeit gibt es durchaus einen kleinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung des Gesichts einer Person und deren Verhalten. Dass wir überhaupt – wenn auch nur in geringem Ausmaß – in der Lage sind, die Persönlichkeit anderer Menschen an deren Gesicht zu erkennen, ist vor allem durch Erwartungseffekte zu erklären: Wenn von einem Menschen aufgrund seiner Gesichtszüge immer wieder ein bestimmtes Verhalten erwartet wird, steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass er das erwartete Verhalten auch irgendwann zeigen wird (sich selbst erfüllende Prophezeiung). Die meisten anderen Persönlichkeitsmerkmale können wir jedoch nicht im Gesicht einer Person erkennen. Die erstaunlich hohe Übereinstimmung zwischen Personen bei der Beurteilung von Gesichtern ist daher nicht darauf zurück zu führen, dass man tatsächlich Eigenschaften an Gesichtern ablesen kann. Vielmehr scheint es sich um eine Übergeneralisierung von bekannten Schemata zu handeln: Das typische »babyface« beispielsweise steht für Jugend und somit auch für Harmlosigkeit oder Naivität. Erwachsenen, die entsprechende Gesichtszüge aufweisen, werden dann – häufig fälschlicherweise – ebenfalls solche Persönlichkeitseigenschaften zugeschrieben.