Papstbesuch in Deutschland. Ökumene ausgebremst?
- 11.11.2011
- Definitiv: nein! Ausbremsen kann man nur, was zuvor in voller Fahrt war. Tatsächlich ist aber im Blick auf eine bestimmte Ökumene, nämlich die der evangelischen und der katholischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, seit geraumer Zeit von »Eiszeit« und »Stagnation« die Rede. Wechselseitige Irritationen zwischen den beiden christlichen Großkirchen im Land der Reformation beziehen sich auf konkrete Themen, die auch beim diesjährigen Besuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland, besonders beim Tag der Begegnung mit Vertretern des Rats der evangelischen Kirche in Deutschland im Augustinerkloster Erfurt am 23. September, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestanden haben. Dabei geht es vor allem um die eucharistische Gastfreundschaft, wobei die eine Position meint, wenn die Eucharistiegemeinschaft erreicht sei, könnte die Vielfalt der christlichen Kirchen durchaus bestehen bleiben. Die gegenteilige Position verlangt eine wesentliche Einheit in der Übereinstimmung im Verständnis des Amtes und der Eucharistie als Voraussetzung dafür, Eucharistiegemeinschaft halten zu können. Im Umfeld des zentralen Themas der eucharistischen Gemeinschaft sind die Themen der konfessionsverbindenden Ehe, die Ekklesiologie, eine hierarchische oder eine synodal-kommunionale Struktur der Kirche die Themen, die im Vorfeld des Papstbesuchs und auch während des Besuchs immer wieder Thema waren, hohe mediale Aufmerksamkeit erfahren haben und um die es wohl ging, wenn von einem »Geschenk für die Einheit der Christen« die Rede war. Tatsächlich war der Besuch von Papst Benedikt XVI. im Erfurter Augustinerkloster ein historisches Zeichen, das man als »symbolische Ökumene« durchaus wertschätzen darf. Dass dies vielen, die in Deutschland auf die Begegnung der Konfessionen gewartet hatten, zu wenig erscheint, ist gleichwohl höchst verständlich. Vorbei scheint die ökumenische Aufbruchstimmung nach dem Konzil. Es war niemand geringerer als der katholische Dogmatiker Josef Ratzinger, der in seiner »theologischen Prinzipienlehre« (München 1982) schrieb, »Nicht die Einheit bedarf der Rechtfertigung, sondern die Trennung«. Gegenwärtig zeigt sich hingegen in beiden christlichen Kirchen in Deutschland die unübersehbare Tendenz, Profil zu zeigen, beides vor allem in Abgrenzung zum jeweils anderen. Wie kann angesichts der veränderten gesellschaftlichen und weltkirchlichen Situation für beide christlichen Kirchen der Zug wieder ins Rollen gebracht werden? Schub darf dabei am ehesten von den vielen ökumenischen Initiativen »von unten« erwartet werden, vom Weltgebetstag der Frauen, von den alljährlich praktizierten ökumenischen Bibelwochen, von den runden Tischen der Religionen und den Arbeitsgemeinschaften christlicher Kirchen in Deutschland, die nicht nur die Kirchen der Reformation und die katholische Kirche, sondern auch viele orthodoxe und Freikirchen zusammenführt, vor allem aber von den vielen Initiativen, die sich ökumenisch der Wahrnehmung von Not widmen.