Sehen, hören, riechen, schmecken, tasten. Wie werden Sinnesreize im Gehirn interpretiert?
- 11.11.2011
- Wenn ich eine Rose betrachte erfreue ich mich an dem satten Rot, dem Duft, den samtweichen Blütenblättern, ... Automatisch verbinde ich verschiedene Sinneseindrücke zu einem Gesamtbild, der Rose. Ein wichtiger erster Schritt geschieht schon in den Sinnesorganen. In der Netzhaut befinden sich Sinneszellen welche Licht in elektrische Impulse übersetzen, die dann zum Gehirn weitergeleitet werden. Im Innenohr bringen Schallwellen eine Membran zum Schwingen und führen nach einer Kaskade von Ereignissen zu elektrischen Impulsen in Nervenzellen. Analoge Vorgänge finden auch beim Riechen, Schmecken und Tasten statt. Es werden sehr unterschiedliche physikalische Signale in die Einheitssprache des Gehirns, elektrische Impulse, übersetzt. Die Signale von Auge, Ohr, Nase, Zunge und Haut erreichen jeweils spezialisierte Gebiete in der Großhirnrinde. Dort finden wir Nervenzellen, die auf ausgewählte Eigenschaften des Sinnesreizes reagieren. In der Sehrinde, zum Beispiel, reagieren Nervenzellen auf Kanten unterschiedlicher Orientierung oder Farbübergänge. In der Hörrinde reagieren Nervenzellen auf einzelne Töne. In den anderen Regionen des Großhirns gibt es Nervenzellen, die auf bestimmte Düfte, süßen Geschmack oder die Berührung an einer Fingerspitze reagieren. Dies bildet die Grundlage für die bewusste Wahrnehmung von Farben, Tönen, Düften, Geschmack und Berührungen. Doch wie werden die einzelnen Sinneseindrücke kombiniert? Zum einen werden in der Großhirnrinde Sinnesreize in einer Hierarchie von spezialisierten Gebieten weiter verarbeitet. Die Nervenzellen reagieren auf immer komplexere Muster, wie Ecken und Spiralen, bis zu Gesichtern und Objekten. Durch Konvergenz verschiedener Modalitäten entstehen Nervenzellen, die sowohl auf den Anblick als auch auf den Klang eines Objektes reagieren. Dieser Modus betont die »bottomup« Verarbeitung, vom Einfachen zum Komplexen. Der alternative Ansatz betont die »top-down« Richtung und die direkte Wechselwirkung der primären Gehirnareale. So wird die akustische Verarbeitung zu einem frühen Zeitpunkt von Sehreizen beeinflusst. Welche der beiden Ansätze, oder welche Kombination davon, am besten die Prozesse in unserem Gehirn beschreibt ist Gegenstand aktueller Forschung. Aber es gibt ein Problem. Wenn alle Sinnesreize durch vergleichbare elektrische Impulse repräsentiert werden, warum führen manche zum Eindruck von Rot und andere zur Wahrnehmung eines Rosenduftes? Um die samtige Oberfläche der Blütenblätter mit dem Auge als »weich« zu erkennen, braucht es Erfahrung: Wir müssen eine Rose zu betrachten und gleichzeitig die Blütenblätter zu tasten. Dies ist ein Schlüssel zur Frage, warum sich Sehen, Hören, Riechen, Tasten und Schmecken so unterschiedlich anfühlen. Wenn wir handeln – die Blütenblätter sanft zwischen den Fingern reiben – verändern sich die visuellen Reize anders als die taktilen. Es braucht also nicht nur das Gehirn, sondern den ganzen Körper, der in der Welt handelt, um Sinnesreize zu interpretieren.