Schlechte Noten. Warum leiden vier Millionen Deutsche an Rechenschwäche?
- Inge Schwank
- 11.11.2011
- Rechnen ungenügend. Das Thema ist aus den Medien bekannt. Hier möchte ich mich nicht zu einer Rechenstörung im Sinne der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation äußern. Vielmehr geht es mir um eine Form der Rechenschwäche, die uns alle angeht. »Ich könnte Ihnen erzählen, wie eine der ältesten und angesehensten Gesellschaften an den Rand des Abgrundes gebracht worden ist, weil der Herr StaatsCommissar ‚Plus‘ und ‚Minus‘ miteinander verwechselt hatte«, so der Mathematiker Ludwig Kiepert 1894 in Wien – also keine Notiz aus einer aktuellen Tageszeitung. Die Mathematiker haben ihr Nachdenken auch darauf verwendet, für möglichst viele Situationen Rechenverfahren zu erfinden, die das Nachdenken entbehrlich machen. Deren Anwendung ist nicht Mathematik, wohl aber die Begründung der Entscheidung für eines von ihnen. Das anfallende Rechnen können Taschenrechner besser als wir. Wir tragen die Verantwortung. Von Bedeutung ist, ob jemand weiß, warum er was wie rechnet. Ich befürchte, dass im Fall der Rechenverantwortungsschwäche die Zahlen über den genannten vier Millionen liegen. Gründe gibt es viele. An Kitas sind viele Menschen beschäftigt, die sich selbst als mathematikgeschädigt bezeichnen. An Grundschulen dürfen Lehrkräfte Mathematik unterrichten, die sich nicht z. B. im Studium geistig mit Mathematik auseinander gesetzt haben. Schließlich haben selbst diejenigen, die ein Mathematik-Lehramtsstudium GHR aufnehmen, zwar Abitur, aber zu großen Teilen während ihrer eigenen Schulzeit keine Erfahrung mit mathematischem Denken gemacht sondern mit dem gedankenlosen Bedienen von Taschenrechnern. Es ist immer eine gute Idee, Dinge von Anfang an richtig zu machen. Die Universität Osnabrück betreibt daher mit »Mathe-Magie« einen Treffpunkt »Mathematische Frühförderung«. Zu denjenigen, die das Problem der Rechenverständnisschwäche auch erkannt haben und zu Taten schreiten, gehören die Niedersächsische Landesschulbehörde und die Stadt Osnabrück. Sie sehen hier eine ihrer aktuellen Broschüren zum Übergang Kita-Grundschule. Eine Botschaft, die es bei den Kleinen zu beherzigen gilt, lautet darin: In das logisch-mathematische Verständnis muss investiert werden, damit Verantwortung für Rechnen möglich wird. Das ist übrigens nicht unangenehm. Im Gegenteil. Ich persönlich halte es mit dem Zeit-Journalisten Gero von Randow, der befand: »Mathe macht schön!« Mathematische Erleuchtung, etwas wirklich verstanden zu haben, erzeugt tiefe Freude. Durch diese Freude erscheint ein Mensch sympathisch und damit schön und attraktiv. Versuchen Sie es einmal selbst und stecken Sie Ihre Umgebung damit an!