Digitale Welt. Wie verändern Computer und Internet unser Gehirn?
- 11.11.2011
- Alles, was wir wahrnehmen und uns in irgendeiner Form merken, verändert unser Gehirn. Merke ich mir bei der Lektüre der NOZ eine Information, dann hat die NOZ mein Gehirn offensichtlich verändert. Dies erfolgt auf der Ebene der neuronalen Verschaltungen, sie verändern sich, wenn wir beispielsweise das Rechnen erlernen. Die Veränderung neuronaler Strukturen ist also völlig normal und wird natürlich auch durch den Umgang mit dem Computer bewirkt. Da sich neuronale Verschaltungen jedoch nur schwer direkt beobachten lassen, sind wir auf die Beobachtung des resultierenden Verhaltens angewiesen. Bemerkenswerterweise wird in der westlichen Welt vor allem nach »negativen« Auswirkungen des Computers auf die Menschen gefragt. Natürlich besteht die Gefahr, dass übermäßige Nutzung oder gar Sucht krank macht, doch dies ist keine Besonderheit des Computers. Als sicher gilt allerdings, dass Kinder durch Computernutzung besonders stark geprägt werden, insbesondere sollten Kinder unter drei Jahren überhaupt nicht vor einen Bildschirm (auch nicht den Fernseher) gesetzt werden, da sie Virtualität noch nicht verstehen. Eine wichtige Frage ist, ob wir Verhaltensmuster der Computernutzung übernehmen. Am Computer wird hochgradig parallel gearbeitet, Mail, Webseiten, Chat, Textverarbeitung – alles läuft gleichzeitig. Es wird vermutet, dass sich dieses »Multitasking« auch auf das normale Leben überträgt: Wir beginnen zu viele Tätigkeiten auf einmal und verlieren die Fähigkeit, uns auf eine Sache zu konzentrieren. Falls das stimmt, wäre aber immer noch zu untersuchen, ob eine »Multitasking« Arbeitsweise tatsächlich weniger effektiv ist als konzentriertes »Singletasking«. Die spannendste Frage ist aus meiner Sicht die neue Rolle, die wir durch das Internet erhalten. Ebenso wie Neuronen ein Gehirn bilden können, das die Komplexität der einzelnen Zelle um Größenordnungen übersteigt, so könnten auch die Menschen eines Tages die Rolle von »Zellen« in einem noch viel komplexeren Netzwerk spielen. Carsten Bresch beschreibt in seinem Klassiker »Zwischenstufe Leben. Evolution ohne Ziel?« eindrucksvoll das Entstehen von Komplexität aus kleinen Einheiten. Das Internet ist sicher ein Schritt in diese Richtung. Ob wir damit allerdings jemals eine Art »Übergehirn« schaffen können, werden wir vielleicht nie erfahren – schließlich weiß auch das einzelne Neuron nichts von unserem Gehirn.