Rosa-Brille-Effekt. Wieso Menschen zu übertriebenem Optimismus neigen
- Susanne Haberstroh
- 11.11.2011
- »Ein Pessimist macht aus einer Chance ein Problem, ein Optimist aus einem Problem eine Chance« – so soll bereits Harry Truman gesagt haben. Psychologische Forschung zeigt, dass viele Menschen zu sehr optimistischen Ansichten über die eigene Person neigen. Zum einen halten Menschen ihre positiven Eigenschaften für einzigartiger als sie tatsächlich sind. In einer Umfrage unter Managern hielten sich 90 Prozent der Befragten für überdurchschnittlich, während nur ein Prozent die eigenen Leistungen als unterdurchschnittlich bezeichnete. Zum anderen tragen viele Menschen beim Blick in die Zukunft die berühmte »rosarote Brille« – die meisten Menschen sind sehr optimistisch, was ihre persönliche Zukunft angeht. Sollen Menschen Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten positiver und negativer Ereignisse in ihrem Leben und im Leben anderer beziffern, so halten sie positive Dinge wie zum Beispiel ein hohes Einkommen oder eine glückliche Beziehung bei sich selbst für viel wahrscheinlicher als bei anderen. Das Eintreten negativer Ereignisse wie beispielsweise einen Herzinfarkt zu erleiden oder geschieden zu werden, wird eher bei anderen Personen erwartet. Ein derart optimistischer Blick auf die Welt hat positive Auswirkungen in den unterschiedlichsten Bereichen: Optimistische Menschen bewältigen schwierige Situationen besser, haben mehr Ausdauer und damit auch mehr Erfolg, sind weniger depressiv und sogar gesünder. Die Kehrseite des Optimismus liegt jedoch darin, dass Risiken häufig nicht ausreichend berücksichtigt werden. So sind beispielsweise mangelnder Besuch von ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen oder auch zu riskante Unternehmensgründungen häufig auf unrealistischen Optimismus und das damit einhergehenden Gefühl der Unverwundbarkeit zurückführbar. Die Ursache für den großen Optimismus scheint vor allem darin zu liegen, dass Menschen dazu neigen, die Kontrollierbarkeit von Ereignissen zu überschätzen. Je kontrollierbarer ein positives Ereignis wahrgenommen wird, umso höher schätzen Personen die Wahrscheinlichkeit für dessen Auftreten. Ein zweiter Grund liegt darin, dass häufig eine falsche Vergleichsgruppe herangezogen wird. Will man das eigene Risiko für eine Krankheit wie AIDS einschätzen, so sollte man sich mit Personen vergleichen, die einem ähnlich sind und nicht mit Risikogruppen, denen man nicht angehört. Aber die kürzeste Antwort auf die Frage, warum wir Menschen optimistisch sind, liefert wohl ein Buchtitel von Martin Seligman, dem Begründer der Positiven Psychologie. Er lautet: »Pessimisten küsst man nicht«.