Wichtig oder unwichtig. Wie reduziert unser Verstand Komplexität?
- 23.11.2012
- Unsere Welt ist vielfältig und verändert sich fortlaufend. Um sich in einer solchen Umgebung erfolgreich zu bewegen und Aufgaben zu erfüllen, muss unser Gehirn stets wichtige und relevante Informationen von unwichtigen trennen. Dazu lernt unser Gehirn Prinzipien und Kategorien, also möglichst grundlegende Beschreibungen von vielfältigen Variationen von Objekten und Sachverhalten. So lernen wir zum Bespiel das Erkennen von Autos und lernen ein Auto mit möglichst wenigen bedeutsamen Eigenschaften zu beschreiben. Um möglichen Veränderungen von Objekten und der Vielfalt von Erscheinungsformen Rechnung zu tragen, geschieht dies in unserem Gehirn nicht mit harten Kategorien, sondern durch Wahrscheinlichkeiten. Unser Gehirn lernt, dass ein Auto mit großer Wahrscheinlichkeit zum Fahren genutzt wird, Räder hat und Benzin braucht. Trifft nun eine oder mehrere Eigenschaften bei einem Objekt nicht zu, zum Beispiel die Nutzung des Benzins bei einem Elektro auto, sind wir trotzdem sehr wahrscheinlich in der Lage ein Elektroauto als Auto zu erkennen und die Auto-Kategorie um eine neue Eigenschaft zu erweitern. Mathematisch zeigt sich, dass das Erlernen von Kategorien durch einen Kompromiss zwischen einer möglichst detailgetreuen und einer möglichst reduzierten Beschreibung erreicht werden kann. Diese mathematische Erkenntnis ermöglicht es, dass heute auch technische Systeme den gleichen Trick nutzen, um relevante Eigenschaften und Kategorien zu lernen. So lernt beispielsweise der Online-Handel durch die Dinge, die Sie in der Vergangenheit gekauft haben, welche prinzipiellen Zusammenhänge zwischen den erworbenen Produkten bestehen, und schlägt Ihnen in der Zukunft neue ähnliche Produkte vor. So werden Ihnen nach dem Kauf einer Bohrmaschine und einer Kreissäge, Bohrer oder anderes Werkzeug vorgeschlagen, weil die Suchmaschine annimmt, dass Sie grundsätzlich Werkzeug mögen. Allerdings schwierig oder gar unmöglich bleibt es für technische Systeme bis heute, Prinzipien und Kategorien zu lernen, wenn die notwendigen Eigenschaften nicht direkt beobachtbar sind. Das Erlernen einer solchen nicht direkt beobachtbaren Eigenschaft wäre, dass die Suchmaschine erkennt, dass Sie nicht von der Liebe zum Werkzeug, sondern von dem Bau Ihres Hauses zum Kauf getrieben werden. Im Gegensatz zu technischen Systemen ist das Erkennen nicht direkt beobachtbarer Zusammenhänge für Menschen eine alltägliche Leistung, die Sie bereits als Baby erlernen. So folgt ein Baby, das älter als sechs bis zwölf Monate ist, der Blickrichtung seiner Mutter, wenn diese abgelenkt wird. Es hat also gelernt, dass es einen für ihn nicht beobachtbaren Grund gibt, der die Aufmerksamkeit seiner Mutter erregt. Es wird sehr wahrscheinlich noch lange dauern, bis technische Systeme diese für uns selbstverständlichen Leistungen erbringen können.