Atomkraftwerke im Stresstest. Wie erdbebengefährdet ist Deutschland
- Michael Matthies
- 23.11.2012
- Allen ist noch das verheerende Seebeben mit Tsunami vor der japanischen Ostküste am 11. März 2011 in Erinnerung, das mit einer Magnitude von 9,0 eines der stärksten Erdbeben weltweit war. Die dadurch hervorgerufenen Schäden an den Atomkraftwerken (AKW) in Fukushima haben zu einer Stilllegung deutscher AKW und einer Überprüfung aller europäischer AKW in sogenannten Stresstests geführt, die erhebliche Sicherheitsmängel aufgedeckt haben. Kann so etwas wie in Fukushima auch in Deutschland passieren? Deutschland liegt auf der eurasischen Platte relativ weit von den Plattenrädern entfernt, an denen sich Spannungen in Erdbeben entladen. Von Süden drückt die Afrikanische Platte auf die eurasische Platte, was vor allem in Italien, Griechenland und der Türkei zu Starkbeben mit zum Teil vielen Toten und Sachschäden geführt hat. In Deutschland sind vor allem das Rheingebiet, die Schwäbische Alb und das Vogtland in Ostthüringen geologisch aktive Zonen, in denen in den letzten Jahrhunderten die weitaus größte Zahl der Erdbeben stattfand. In Deutschland gibt es mehr als 150 Seismometer-Stationen, so dass jeder Erdstoß – auch außerhalb Deutschlands – erfasst und lokalisiert werden kann. Die Osnabrück am nächsten gelegene Station liegt in Ibbenbüren. In den letzten 250 Jahren wurden in Deutschland Erdbeben mit einer Magnitude bis 6,1 gemessen, also deutlich geringer als das Erdbeben vor Japan. Basierend auf der Auswertung historischer Berichte über Erdbeben in den vergangenen 1200 Jahren wurden vom Geoforschungszentrum Potsdam Erdbebengefährdungskarten erstellt, die als Grundlage für die erdbebengerechte Auslegung von Industrieanlagen, also auch von AKW dienen. Obwohl das Erbebenrisiko in Deutschland nicht sehr groß ist, kann es nicht vernachlässigt werden, insbesondere, da bei der dichten Besiedlung und der hohen Dichte an Industrieanlagen die möglichen Schäden sehr hoch sein können.Das AKW in Mülheim-Kärlich in der Nähe von Koblenz wurde in einem erdbebengefährdeten Gebiet errichtet und musste daher im Jahr 1988 nach zwei Jahren Probebetrieb und 100 Tagen Regelbetrieb abgeschaltet werden. Drei deutsche AKW-Standorte, Philippsburg, Biblis und Gundremmingen, liegen im unteren Gefährdungsbereich und sind mit einem Erdbebenwarnsystem ausgestattet. Der Stresstest der EU ergab, dass in insgesamt 121 von 145 AKW Erdbebenmessgeräte installiert oder nachgerüstet werden müssen, insbesondere in französischen AKW. Neuere geologische Untersuchungen zeigen, dass es auch im norddeutschen Raum Erdbeben gegeben hat, die historisch nicht aufgezeichnet worden sind. Da das stärkste bekannte Erdbeben die Auslegung (inklusive Sicherheitszuschlag) von Gebäuden bestimmt, können solche Erkenntnisse zu einer Neubewertung der Erdbebengefährdung führen.