Schwarmintelligenz. Ist man gemeinsam tatsächlich klüger?
- 23.11.2012
- Der Begriff »Schwarmintelligenz« stammt aus der Biologie. Dort wird er verwendet, wenn viele Individuen zusammenwirken und ein komplexes und wohl koordiniert erscheinendes Verhaltensmuster erzeugen, ohne dass es dazu einer zentralen Koordinationsinstanz bedarf. Häufig genannte Beispiele für ein derartig geordnetes Verhalten sind Insektenstaaten, Vogelschwärme oder Fischschwärme. Eine bekannte Parallele dazu im Rahmen menschlichen Verhaltens ist die Erzeugung einer La-Ola-Welle in einem Fußballstadion, für die es vollständig genügt, dass jedes Individuum sich ausschließlich an den Bewegungen seiner unmittelbaren Nachbarn orientiert. Überlegene Problemlösungsfähigkeit wird menschlichen »Schwärmen« insbesondere bei Aufgaben zugerechnet, bei denen es um das Zusammentragen von Informationen geht, wie zum Beispiel bei der Entdeckung von plagiierten Teilen in Dissertationen von Prominenten, durch die Recherchen einer Vielzahl von Beiträgen im Internet oder bei der Herstellung des Internet-Lexikons Wikipedia. Experimente, die vor dem Hintergrund des Begriffs der Schwarmintelligenz untersuchten, wie die Problemlösungsqualität von Gruppen von Laien im Verhältnis zu der einzelner Experten zu beurteilen ist, haben zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Berichte über die Überlegenheit der Urteile von Laiengruppen stehen hier Ergebnissen gegenüber, die einen Prozess der gruppeninternen Angleichung der Urteile und eine dadurch bedingte Verschlechterung ihrer Qualität beobachten. Ob Gruppen zu besseren oder schlechteren Problemlösungen kommen als Einzelindividuen und Experten, ist also nicht mit einem einfachen ja oder nein zu beantworten. Beides ist möglich. Ein dafür relevanter Faktor ist etwa eine große Variationsbreite des Wissens der verschiedenen Teilnehmer, die innovative Problemlösungen durch Kombination unterschiedlicher Wissenselemente ermöglichen soll. Bereits leichte Veränderungen der Randbedingungen können jedoch genügen, um hier einen gegenteiligen Effekt zu erzeugen. Unterschiede des Wissens lösen dann unter Umständen Verständigungsprobleme, Konflikte und Fraktionsbildung aus. Dies kann wiederum zu Lagerdenken mit jeweils internem Angleichungszwang führen und so die Problemlösungsfähigkeit von Gruppen im Vergleich zu den Fähigkeiten einzelner Experten gravierend beeinträchtigen. An die Stelle von »Schwarmintelligenz« tritt dann die »Schwarmdummheit«, für die Begriffe wie »group think« oder »Herdenverhalten« bereit stehen. Die Entstehung von Spekulationsblasen an Märkten etwa wird häufig auf ein derartiges »Herdenverhalten« zurückgeführt. »Schwärme« sind also keineswegs immer »intelligent«.