Kopftuch, Schleier, Burka. Warum spaltet ein Stück Stoff die Gesellschaft?
- 15.11.2013
- »Strittig könnte die Frage des Kopftuchs für muslimische Lehrerinnen werden«, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (epd, Pressespiegel vom 04.10.2013) anlässlich des Beginns der Verhandlungen zwischen dem Land Niedersachsen und den muslimischen Gemeinschaften über einen Staatsvertrag. Bislang dürfen Lehrerinnen ein Kopftuch nur im islamischen Religionsunterricht tragen. Hören wir zuerst einigen Stimmen von jungen Musliminnen zu: »Ich gehöre dem sunnitischen Islam an, hanafitischer Rechtsschule, und diese verlangt die Bedeckung des Kopfes. Das Kopftuch ist Teil der Bekleidungsvorschrift in meiner Religion, weder Symbol noch Ausdruck von Unterwürfigkeit oder Minderwertigkeit.« Andere Frauen sehen das Kopftuch religiös als nicht geboten an: »Ihre Fragestellung geht wie selbstverständlich davon aus, dass das Kopftuch ein religiöses Symbol ist. Dabei ist es nicht aus dem Koran, sondern nur aus der Tradition zu begründen.« Ist das Tragen des Kopftuchs denn nun im Koran geboten oder nicht? Genau drei Koranverse äußern sich zum Kopftuch. Keine Koranstelle schreibt explizit die Kopfverschleierung vor. Eine Lösung aber muss her, sollen nicht die jungen muslimischen Frauen, die sich für das Lehramt entscheiden und entschieden haben, das Kopftuch zu tragen, in eine ungewisse Zukunft hineinstudieren. Paragraf 51, Abs. 3 des Niedersächsischen Schulgesetzes (29.04.2004) lautet: »Das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften in der Schule darf, auch wenn es von einer Lehrkraft aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewählt wird, keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen, den Bildungsauftrag der Schule (Paragraf 2) überzeugend erfüllen zu können.« Es geht also um nicht mehr, aber auch um nicht weniger, als die zweifelsfreie Sicherheit, dass eine Lehrerin den Bildungsauftrag der Schule überzeugend erfüllt, wozu unabdingbar die Wahrung der politischen, religiösen und weltanschaulichen Neutralität gehört. Das Land Niedersachsen muss entscheiden, ob allein das Tragen des Kopftuchs verhindert, dass der Bildungsauftrag überzeugend erfüllt wird; ob das Erscheinungsbild einer Lehrerin mit Kopftuch tatsächlich geeignet ist, die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen der Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern zu stören oder der Schulfriede gefährdet ist. Der Kopftuchstreit scheint mithin mehr zu sein, als der Streit um ein Stück Stoff. Über dieses Thema wird die Diskussion um Bedeutung und Grenzen der Religionsfreiheit geführt. Stünde es dem Land Niedersachsen, das in der Integrationspolitik und in der Unterstützung der Einrichtung der Islamischen Theologie so weit vorangegangen ist, nicht gut an, statt des Misstrauens auf Vertrauen zu setzen?