Weltklimabericht. Wie verlässlich sind die Modellrechnungen?
- Michael Matthies
- 15.11.2013
- Kann die Klimaentwicklung der nächsten Jahre und Jahrzehnte verlässlich vorausgesagt werden? Ja, sagen die Wissenschaftler, denn wir kennen die naturwissenschaftlichen Grundlagen so gut, dass wir mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit den Klimawandel und seine Folgen berechnen können. Modelle sind jedoch vereinfachte Abbildungen der Wirklichkeit. Kann irgendjemand voraussagen, wo genau ein Stein liegen bleibt, der von der Zugspitze oder vom Piesberg losgetreten wurde? Wir kennen die Fall- und Stoßgesetze seit Galilei und Newton, wissen also sehr verlässlich, dass der Stein nach unten rollt, können aber nur sagen, wo wir den Stein wahrscheinlich finden werden. Genau das machen die Modellrechnungen des Weltklimarats. Sie nutzen das gesamte Wissen über die komplexen Zusammenhänge des globalen Klimas, um die wahrscheinliche Entwicklung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu berechnen. Modelle müssen an experimentellen Daten und Beobachtungen validiert, das heißt auf ihre Güte überprüft werden. Anders als beim Beispiel des rollenden Steins können wir jedoch das Klimaexperiment nicht wiederholen, da wir nur eine Erde haben. Daher schaut man weit in die Vergangenheit zurück und misst zum Beispiel den Gehalt von Spurengasen in Eisbohrkernen von Gletschern, um das historische Klimageschehen zu rekonstruieren. Für die zukünftige Klimaentwicklung werden Szenarien (Entwicklungspfade) definiert, die die mögliche Bandbreite, zum Beispiel des Temperaturanstiegs, abdecken. Seit dem ersten Weltklimabericht im Jahre 1990 sind die Modelle verfeinert worden, neue Teilmodelle dazugekommen und Modellparameter verbessert worden. Es wurden jedoch keine grundsätzlichen Änderungen an den Aussagen getroffen. Die Klimasensitivität, also die Bandbreite der globalen Mitteltemperatur in Bodennähe bei einer Verdopplung der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentration, wird zwischen 1,5 und 4,5 Grad Celsius abgeschätzt – wie schon im ersten Weltklimabericht. Der Anstieg der globalen Mitteltemperatur der Atmosphäre hat sich zwar in den letzten 15 Jahren verlangsamt, aber nicht umgedreht. Einzelne Argumente wie eine angeblich zu geringe Berücksichtigung der Sonnenfleckenaktivitäten haben nichts Wesentliches an den Aussagen des Weltklimaberichts geändert. Was jedoch nicht berücksichtigt werden kann, sind unvorhersehbare Ereignisse wie große Vulkanausbrüche, die einen erheblichen Einfluss auf das Klima haben können. Seit dem Beginn der industriellen Entwicklung vor rund 150 Jahren ist die mittlere Temperatur in Bodennähe um 0,85 Grad Celsius gestiegen. Eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf maximal 2 Grad Celsius ist bei entsprechender Energiepolitik immer noch möglich. Was jedoch bedenklich ist: Alle Szenarien einer Emissionsminderung von Treibhausgasen, insbesondere von Kohlendioxid, sind nicht Realität geworden. Wir, die Menschheit, folgen dem Entwicklungspfad »Business as usual«, also weiter so emittieren wie bisher. Das ist die eigentliche Botschaft des Weltklimaberichts – und diese ist sehr verlässlich.