Hunger und Stress. Wie kommunizieren Bakterien mit ihrer Umwelt?
- 14.11.2014
- Bakterien sind in der Lage, extrem schnell auf potenziell tödliche Veränderungen in ihrer Umwelt zu reagieren, um ihr Überleben zu sichern. Zu diesen Stressbedingungen zählen Säure, Hitze, Strahlung, giftige Chemikalien oder auch Angriffe durch unser Immunsystem. Doch wie merkt es zum Beispiel ein EHEC-Bakterium, wenn es von Magensäure umgeben ist, in der es bis zu zwei Stunden überleben kann, um anschließend in unserem Verdauungstrakt sein Unwesen zu treiben? Die Oberfläche eines jeden Bakteriums ist gespickt mit Sensoren, die Informationen aus der Umgebung erkennen und sie in das Innere der bakteriellen Zellen leiten, um dort Schutzreaktionen auszulösen. So besitzt ein einzelnes EHEC-Bakterium über 30 verschiedene dieser Stresssensoren, die jeweils mit über 100 Kopien pro Zelle vorhanden sein können. Dabei erkennen die Stresssensoren den Stressfaktor nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an der Oberfläche des Bakteriums und geben nur die Information über das Vorhandensein des Stressfaktors in das Innere der Zelle weiter. Unsere körpereigenen Sensoren für das Stresshormon Adrenalin funktionieren prinzipiell ähnlich, denn auch hier verbleibt das Stresshormon auf der Oberfläche der Zelle. Daher verwunderte die Beobachtung nicht, dass krankheitserregende Bakterien wie EHEC oder Salmonellen Adrenalin mithilfe ihrer Stresssensoren erkennen, um sich gegen das Immunsystem aufzurüsten. Ebenso fatal ist es, dass viele Bakterien mithilfe ihrer Stresssensoren Antibiotika erkennen und in Folge eine Antibiotikaresistenz ausbilden. Doch Bakterien besitzen nicht nur Sensoren, die Stressbedingungen erkennen, sondern auch solche, die Energie- und Nährstoffquellen identifizieren. Ebenso wie bei den Stresssensoren wird nur die Information über das Vorhandensein des Nährstoffes weitergegeben und es erfolgt nicht dessen Aufnahme. Die Information über Nährstoffe wird von Bakterien genutzt, um ihr Schwimmverhalten in Richtung einer Nährstoffquelle zu ändern. Dabei sind Bakterien in der Lage einerseits ein Konzentrationsgefälle zu erkennen und andererseits die Sensoren so anzupassen, dass sie besser auf Änderungen des Nährstoffangebots reagieren können. Bei Bakterien, die unseren Darm natürlicherweise besiedeln (Darmflora), wurden Nährstoffsensoren gefunden, die mit dem entsprechenden Aufnahmesystemen gekoppelt sind. Diese Kopplung von Erkennen und Aufnehmen eines Nährstoffs resultiert in einem Standortvorteil für Bakterien bei der Besiedlung unseres Darms. Es wird damit immer deutlicher, dass es prinzipielle Unterschiede zwischen Bakterien der Darmflora und Krankheitserregern gibt. Diese Erkenntnisse werden derzeit für die Entwicklung von neuen antimikrobiellen Substanzen gegen krankheitserregende Bakterien genutzt, welche daher die »guten« Bakterien unserer Darmflora überleben lassen.