Botanische Gärten. Warum sperren wir Pflanzen ein und holen Exoten aus anderen Erdteilen?
- 11.11.2016
- Die ersten Botanischen Gärten entstanden in Europa im 16. Jahrhundert nach dem Vorbild klösterlicher Kräutergärten. Sie waren ursprünglich Medizinal- und Heilpflanzengärten. Pflanzen wurden „eingesperrt“ und kultiviert, um daraus heilsame Tees, Salben und Tinkturen zuzubereiten. Das erkennt man auch heute noch daran, dass der Artname „officinalis“, apothekenüblich, für viele Pflanzen mit arzneilicher Wirkung verwendet wird. Mit der Erkundung neuer Erdteile kamen auch Exoten aus anderen Ländern nach Europa und Pflanzen wurden zunehmend für Lehrzwecke sowie für die wissenschaftliche Forschung kultiviert. In deutschen Botanischen Gärten werden heute circa 50.000 Pflanzen gehalten. Von diesen kommen nur knapp 4.000 Pflanzen bei uns natürlich vor. Das Leitziel des Botanischen Gartens der Universität Osnabrück ist es, die Vielfalt der Pflanzen – ihre so genannte Biodiversität – zu erforschen, zu erhalten und zu vermitteln. Um dem derzeitigen starken Rückgang der Artenvielfalt unserer Flora entgegenzuwirken, setzt sich der Botanische Garten der Universität Osnabrück insbesondere dafür ein, heimische Wildpflanzen zu erhalten. Im Rahmen von Pflanzenschutzprojekten wie beispielsweise der Koordination der nationalen Wildpflanzengenbank für Ernährung und Landwirtschaft (WEL) wird deutschlandweit Saatgut von Wildpflanzen gesammelt, die die Vorläufer unserer Nutzpflanzen sind. Das Saatgut wird bei Tiefkühlbedingungen in Saatgutgenbanken eingelagert. So bleiben die Samen länger keimfähig und bilden eine wertvolle Ressource für zukünftige Züchtungs- und Forschungszwecke. Die Bedeutung von Saatgutgenbanken wird aktuell gerade am Beispiel der internationalen Samengenbank in Spitzbergen deutlich. Dort lagern 120 Meter tief im ewigen Eis der Arktis Sicherheitskopien von dem Saatgut der wichtigsten 21 Nutzpflanzen der Erde. Syrische Wissenschaftler haben für Züchtungszwecke bereits auf die dortigen Sicherheitskopien ihrer einzigartigen Nutzpflanzenrassen mit den immer dringender benötigten Anpassungen an Hitze, Kälte und Salzböden zurückgreifen können. Durch den derzeitigen Bürgerkrieg in Syrien ist zurzeit kein uneingeschränkter Zugriff auf die nationalen Genbank- Ressourcen in Aleppo möglich. Weiterhin ist das Ziel des – vom Botanischen Garten initiierten – deutschen Wildpflanzenschutzprojekts (WIPs-De), die gefährdeten 15 Pflanzenarten zu schützen, für die Deutschland die internationale Verantwortung übernommen hat. Momentan wird bedingt durch den sechsspurigen Ausbau der A1 im Tecklenburger Gebiet eine gefährdete Orchidee, das breitblättrige Knabenkraut, im Botanischen Garten kultiviert. Dabei handelt es sich um eine vorübergehende Schutzmaßnahme, um die Pflanzen zeitnah wieder auf geeigneten Ausgleichsflächen ausbringen zu können. Diese Beispiele zeigen, dass die Gründe des „ Einsperrens“ von Pflanzen in Botanischen Gärten vielfältig sind und im Dienste der Forschung, der Lehre und des Erhalts der Pflanzenvielfalt stehen.