Kleider machen Leute. Sind wir, was wir tragen oder tragen wir,
was wir sind?
- 11.11.2016
- William Thourlby, der als durchtrainierter, gesund aussehender Cowboy der Marlboro-Werbung in den 1950er Jahren Furore machte, betätigte sich neben der Schauspielerei auch als Schriftsteller. Er schrieb 1978 das Buch: ,You Are What You Wear – the Key to Business Success‘. In diesem Buch erteilt Thourlby seinen Lesern und Leserinnen folgenden Ratschlag: „Wenn Sie einen Raum betreten, werden Entscheidungen über Sie ganz allein aufgrund Ihrer äußeren Erscheinung gefällt. Um erfolgreich und sicher zu sein, dass diese Entscheidungen positiv für Sie ausfallen, denken Sie daran, dass Sie sind, was Sie tragen, und kleiden Sie sich entsprechend!“ Thourlby beschreibt hier ein Phänomen, das Gottfried Keller bereits 1874 in seiner Novelle , Kleider machen Leute‘ am Beispiel des armen Schneiders Wenzel Strapinski literarisch verarbeitet. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Handwerker wird aufgrund seiner modischen vornehmen Garderobe wie Radmantel, Pelzmütze, langen Locken und gepflegter Schnurrbart irrtümlich von seinen Mitmenschen für einen Grafen gehalten. Strapinski klärt den Irrtum nicht auf, sondern nimmt stattdessen die ihm zugeschriebene Kleiderrolle an. Da ein Graf nicht um sein Essen bettelt, entschließt er sich zu hungern. Keller beschreibt diese Notlage mit den dramatischen Worten: „er (war) der Märtyrer seines Mantels (...) und (litt) Hunger (...), so schwarz wie des letzteren Sammetfutter“. Kellers Protagonist schafft aufgrund seiner eleganten Kleidung den gesellschaftlichen Aufstieg, am Ende ist er erfolgreich im Beruf und in der Liebe. Mit seiner Novelle führt uns Keller vor Augen, dass Kleidung einerseits unsere Umwelt so beeinflusst, dass sich deren Verhalten uns gegenüber verändert. Andererseits beeinflusst die Kleidung unser Verhalten. Sie wirkt also auch nach innen. Die meisten von uns kennen Situationen, in denen wir der Meinung waren, „over-“ oder „underdressed“ zu sein und entsprechend selbstsicher oder verunsichert aufgetreten sind. Die schon aus dem 16. Jahrhundert stammende Redewendung „Kleider machen Leute“ lässt vermuten, dass unsere Altvorderen den Ratschlag „Dress for success“ beherzigten. Wenn Sie dieses Stichwort heute bei Google eingeben, dann erhalten Sie ungefähr 6.440.000 Einträge. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wiesen mittlerweile in unterschiedlichen Studien nach, dass Kleider tatsächlich Leute machen können und durchaus ihren Beitrag zum Erfolg oder Misserfolg des einen oder der anderen leisten. Von einem dieser Experimente will ich an dieser Stelle abschließend berichten: Im Jahre 2005 fanden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem Experiment heraus, dass das Tragen roter Trikots bei zwei etwa gleich starken Mannschaften die Chance zu gewinnen, entscheidend vergrößern kann. Diejenige Mannschaft, die während des Spiels ein rotes Trikot trug, war die am häufigsten siegreiche. Wie es aussieht, ist damit auch das Erfolgsrezept des FC Bayern gelüftet worden.