Neurokognitive Basis auditorisch-linguistischer Regellernprozesse bei Säuglingen und Erwachsenen: Regelextraktion und Gedächtnisprozesse
Projektstatus: abgeschlossen
Drittmittelprojekt uri icon

Projektleitung

Beschreibung

  • Im vorgeschlagenen Projekt soll die neurokognitive Entwicklung grundlegender Sprachlernmechanismen bei Säuglingen und Erwachsenen mit Hilfe elektrophysiologischer Korrelate des Lernens künstlicher Grammatiken untersucht werden. Die zentralen Fragen beziehen sich auf die Zusammenhänge zwischen auditorischem Regellernen und dessen perzeptueller Kodierung, den unterstützenden Gedächtnisprozessen und den beteiligten sprachlichen und kognitiven Prozessen. Grammatische Beziehungen zwischen entfernten Satzteilen sind ein zentrales Element der Sprache (z.B. sie hat gestern gesungen). Verhaltensstudien zeigen, dass solche nicht-benachbarten Abhängigkeiten im zweiten Lebensjahr erlernt werden. Neuere EEG-Studien datieren diese Fähigkeit jedoch bereits in die ersten sechs Lebensmonate vor und legen einen Zusammenhang mit der Entwicklung der auditorischen Wahrnehmung nahe. Trotz positiver Evidenz ist wenig über die zugrundeliegenden Lernmechanismen bekannt. Dieser Antrag soll drei zentrale Fragen behandeln, die die grundlegende Perspektive teilen, dass das Lernen künstlicher Grammatiken in einem weiter gefassten Kontext von Wahrnehmung, Gedächtnis und Sprache untersucht werden soll. Zum Ersten ist bislang unklar, welche Sprachelemente grammatische Regeln kodieren. Experimente, in welchen die sprachlichen Segmente der regelkodierenden Elemente systematisch variiert werden, werden diese Frage klären. Auch ist unbekannt, ob und unter welchen Bedingungen einmal identifizierte Sprachregeln auch im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Dies soll durch experimentelle Manipulationen des Behaltenszeitraums und des Faktors Schlaf untersucht werden. Zum Dritten stellt sich die Frage nach dem Vorhersagewert von im Labor erfassten Lernprozessen für tatsächliche sprachliche und kognitive Prozesse. Daher ist es geplant, interindividuelle Unterschiede beim Lernen künstlicher Grammatiken zu einem Mass der Sprachverarbeitung sowie zu weiteren kognitiven Variablen in Bezug zu setzen. Um diese drei Themenkomplexe zu bearbeiten, wird eine Reihe von Studien mit Probanden im Säuglings- und im Erwachsenenalter vorgeschlagen. Kernstück des gesamten Projektes ist die Erfassung grundlegender Regellernmechanismen mit Hilfe einer sprachlichen Variante des klassischen Oddball-Paradigmas, welche das Lernen nicht benachbarter Abhängigkeiten erfasst. Die Studienreihe wird eine präzisere Charakterisierung neurokognitiver Mechanismen des auditorischen Regellernens und seiner entwicklungsbedingten Veränderungen ermöglichen. Dies wird zu einem besseren Verständnis des Spracherwerbs über die Lebensspanne beitragen und Grundlagenwissen für weitere Forschungen im Bereich Sprachunterricht und Sprachtherapie liefern. Mit dem Projekt werden neben einem wichtigen Beitrag zur aktuellen Grundlagenforschung exzellente Qualifikationsmöglichkeiten für den wissenschaftlichen Nachwuchs geboten sowie Basiswissen für weiterführende angewandte Forschung bereitgestellt.

Projektlaufzeit

  • 01.11.2017 - 30.11.2020

Verbund/Partnerorganisation

  • Charité - Universitätsmedizin Berlin

Ergebniszusammenfassung

  • Das Projekt „Neurocognitive basis of auditory-linguistic rule learning in infancy and adulthood“ hat es sich zum Ziel gesetzt, die frühkindlichen neurokognitiven Prozesse zu untersuchen, die das Lernen nichtbenachbarter Abhängigkeiten (NBAs) zwischen verschiedenen linguistischen Segmenten (Silben, Vokalen, Konsonanten) unterstützen. Die Fokussierung auf die verschiedenen Segmente war motiviert durch die sogenannte consonant-vowel hypothesis, die einen Vorteil für Vokale ggü. Konsonanten bei der Extraktion grammatischer Regeln voraussagt. Schon vor den ersten Lautäußerungen von Kindern werden wichtige Meilensteine der Sprachentwicklung erreicht und erste sprachliche Regeln entdeckt. Die vorliegende Studienreihe verfolgte das Ziel, grundlegende Lernprozesse, die den Grammatikerwerb unterstützen, im Detail zu charakterisieren. Um mögliche entwicklungsbedingte Veränderungen zu erfassen wurden 5 EEG-Studien mit Erwachsenen und 3 EEG-Studien mit 8-10 Monate alten Kindern durchgeführt, die jeweils zum Teil ergänzt wurden durch ein weiteres kurzes EEG-Experiment zur Testung der Verarbeitung natürlichsprachlicher NBAs sowie durch psychometrische Tests allgemeinkognitiver Fähigkeiten. Bei den Experimenten wurden neben Verhaltensmaßen bei Erwachsenen, ereigniskorrelierte Potentiale (EKPs) in Antwort auf korrekte und inkorrekte NBAs untersucht, die sich bereits in vielen vorhergehenden Studien mit Erwachsenen und Kindern als Indikatoren für den erfolgreichen Erwerb derselben erwiesen haben. Die Experimente 1 – 3 verwendeten ein Versuchsdesign, in dem alle segmentalen Informationen als Grundlage für das Lernen zur Verfügung standen und es wurde getestet, ob Erwachsene in solchen Stimuli ein bestimmtes Segment als Träger der grammatisch relevanten Information bevorzugen. Entgegen der consonant-vowel hypothesis zeigte sich lediglich die Silbe als effizienter Träger der gelernten sequentiellen Muster. Diese Ergebnisse wurden bereits auf mehreren Konferenzen präsentiert und ein Manuskript zur Veröffentlichung eingereicht. Die Experimente 4 – 6 verwendeten ein Versuchsdesign, das es erlaubte, die Lernbarkeit von NBAs für jedes Segment getrennt zu untersuchen. Hier zeigte sich ebenso wie in den vorangegangenen Studien eine fast ausschließliche Lernbarkeit silbenbasierter NBAs. In Experiment 7 – 8 zeigte sich, dass 8-10 Monate alte Kinder im Gegensatz zu Erwachsenen durchaus in der Lage sind, vokalbasierte NBAs zu extrahieren. Konsonantbasierte NBAs wurden jedoch nicht gelernt. Die Ergebnisse der Kinderstudien sowie weiterführende Analysen der Zusammenhänge mit der natürlichsprachlichen Verarbeitung sowie den psychometrischen Maßen werden pandemiebedingt erst 2021 publiziert. Für uns überraschend war die überragende Rolle silbenkodierter NBAs für den Lernerfolg bei Erwachsenen sowie die in diesem Kontext überraschende, obwohl durch die consonant-vowel hypothesis vorhergesagte, Fähigkeit von Säuglingen, vokalbasierte NBAs zu extrahieren. Durch unsere Ergebnisse verliert die consonant-vowel hypothesis, zumindest im Bereich der Erwachsenensprachverarbeitung, an empirischem Rückhalt und somit an Plausibilität. Demgegenüber steht eine mögliche wichtige Rolle im Entwicklungsbereich. Es bleibt eine sehr interessante Frage für zukünftige Projekte, den angedeuteten Entwicklungsprozess sowohl im Zeitverlauf als auch hinsichtlich der dazu beitragenden Mechanismen zu spezifizieren.

Schlagwörter

  • Allgemeine Psychologie
  • Biologische Psychologie
  • Entwicklungspsychologie
  • Mathematische Psychologie
  • Pädagogische Psychologie

Organisationseinheit

Finanzierung durch

Bewilligungssumme

  • 239.980,00 €
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