Elektromobilität. Wird die Umweltbilanz nur schön gerechnet?
- 17.11.2017
- Bei der Herstellung fängt es doch an: Im Vergleich zu Autos mit Verbrennungsmotoren fallen bei der Produktion von Elektroautos 60 Prozent mehr CO₂- Emissionen an. Das steht zumindest in einer Studie, die das Fraunhofer-Institut für Bauphysik im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums verfasst hat. Und wie sieht es beim Einsatz des E-Mobils aus? Die Ökobilanzierung von Produkten und Prozessen ist eine komplexe Angelegenheit, bei der viele Aspekte berücksichtigt werden müssen. Dies fängt beim Herstellungsprozess an und endet bei der Entsorgung, es muss also der gesamte „Lebenszyklus“ des Produkts erfasst werden. Hierzu gibt es zwei in 2016 veröffentlichte Studien: eine im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und eine im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA). Beide Studien kommen zu dem Schluss, dass sich bereits mit heutigen Fahrzeugen eine neutrale bis positive CO₂-Bilanz während der (teils extrapolierten) Gesamtlebensdauer der Fahrzeuge erzielen lässt. Die BMVI-Studie ist dabei eng an der gegenwärtigen Praxis orientiert, was schon zu genaueren Erkenntnissen über den tatsächlichen Verbrauch etc. geführt hat. Die UBA-Studie untersucht zudem Szenarien für mögliche Verbesserungen, wie sie für eine sich entwickelnde Massentechnologie zu erwarten sind. Elektromobile glänzen vor allem durch die Vermeidung direkter CO₂-Emission während ihres Betriebs und durch den insgesamt geringeren Energiebedarf. Zwar benötigt die Herstellung von Elektromobilen mehr Komponenten, sodass hier mehr CO₂ emittiert wird, dies wird aber über den Lebenszyklus wieder wettgemacht (sogar noch schneller für Plug-in Hybride). Betrachtet man also nur die CO₂-Emissionen, so sind Elektrofahrzeuge bereits heute vorteilhaft. Der zu erwartende größere Anteil an Ökostrom wird dies in Zukunft noch verstärken. Für eine vollständige Ökobilanz gibt es aber noch weitere Gesichtspunkte, wonach die nötigen Zusatzkomponenten doch problematisch sind. Vor allem die Batterien benötigen seltene Metalle (ähnlich wie der Katalysator), die sehr negativ in die Bilanz eingehen; und sie benötigen schlicht mehr Stahlmasse zur Halterung der Batteriezellen. Die Stahlproduktion ist aber derzeit notorisch „ökoschädlich“. Der Rohstoffmehrverbrauch, von der UBA-Studie sehr gründlich beleuchtet, führt unter anderem dazu, dass die totale Feinstaubbelastung von Elektromobilen derzeit größer als die von konventionellen Fahrzeugen ist. Nur entsteht der Feinstaub nicht auf der Straße. Die Elektromobilität erscheint in der Summe in mancher Hinsicht (Energie, CO₂) eine „saubere Sache“ zu sein, in anderer jedoch (noch) nicht (Rohstoffverbrauch, Feinstaub). Daher betonen die Autoren der UBA-Studie auch, dass es eine ganze Reihe an politischen Handlungsfeldern gibt, um die Ökobilanz tatsächlich positiv werden zu lassen. Aus Sicht der Forschung steckt dabei das größte Verbesserungspotenzial offensichtlich in der Speichertechnologie. Für den Erfolg der Elektromobilität spielen neben der Ökobilanz natürlich noch andere Aspekte eine Rolle, wie etwa die Reichweite der Fahrzeuge und das Vorhandensein eines Aufladenetzes.