Depressionen. Warum sind Jugendliche besonders anfällig für seelische Krisen?
- 15.11.2019
- Depressionen können nicht nur bei Erwachsenen, sondern bereits im Kindes- und Jugendalter auftreten. Obwohl sie die Lebensqualität drastisch beeinträchtigen und ernsthafte Folgen haben können – es wird von einem circa 20-fach erhöhten Risiko für suizidales Verhalten bei Jugendlichen berichtet – wurden Depressionen bei Jugendlichen lange nicht ernstgenommen. Bis zum Grundschulalter sind unter zwei Prozent der Kinder von einer Depression betroffen; in der Pubertät kommt es dann zu einem Anstieg auf circa zehn Prozent. Während sich im Kindesalter noch keine Geschlechtsunterschiede in der Depressionshäufigkeit zeigen, sind ab der Pubertät Mädchen etwa doppelt so häufig betroffen wie Jungen. Diese Befunde werfen die Frage nach der Bedeutung der Pubertät bei der Entwicklung einer Depression auf. Neben den zahlreichen psychischen und sozialen Herausforderungen, die in dieser Phase zu bewältigen sind (zum Beispiel Rollenfindung, schulische Entwicklungsaufgaben), spielen auch biologische Reifungsprozesse eine Rolle. Dabei sind zum einen die hormonellen Einflüsse auf das psychische Befinden von Bedeutung. Zum anderen sind die körperlichen Entwicklungen zu nennen, auf die Jugendliche oft nicht vorbereitet sind, und die negativen emotionale Reaktionen sowie ein gestörtes Körperbild auslösen können. Wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass ein früheres Einsetzen der Pubertät bei Mädchen mit einem höheren Depressionsrisiko verbunden ist. Neben biologischen Faktoren wird dieser Befund auch dadurch erklärt, dass die körperliche Reifung bei Mädchen (im Gegensatz zu Jungen) sozial eher unerwünscht ist. Auch die größere Kluft zwischen körperlicher und psychischer Reife kann hier bedeutsam sein. Ob jedoch die innerhalb der letzten Jahrzehnte immer früher einsetzende Pubertät mit höheren Depressionsraten bei Jugendlichen einhergeht, ist unklar. Während einige Studien eine Zunahme an Depressionen bei Jugendlichen fanden, konnten andere dies nicht bestätigen. Insgesamt sind hier viele Fragen ungeklärt, da bei der Entstehung einer Depression biologische, psychische und soziale Faktoren zusammenwirken. Da sich die Symptome einer Depression vor allem auf das innere Erleben beziehen, sind sie von außen nicht gut wahrnehmbar. So zeigen beispielsweise Studien, dass Eltern das Ausmaß der depressiven Symptomatik ihrer Kinder niedriger einschätzen als die Kinder selbst. Diese schlechte Erkennbarkeit einer Depression sowie ein geringes Wissen über diese Erkrankung könnten Gründe dafür sein, warum ein Großteil der Betroffenen keine passende Behandlung erhält. Diese ist jedoch wichtig, da unbehandelt ein hohes Risiko für eine Chronifizierung besteht. Studien zeigen, dass Psychotherapie bei Depressionen im Jugendalter gute Erfolge erbringen kann, wobei die stärksten Wirksamkeitsbelege für die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie vorliegen. Neben der Behandlung einer bestehenden Depression liegt ein wichtiges Ziel darin, den Ausbruch dieser Erkrankung zu verhindern. Während Prävention nach dem „Gießkannenprinzip“ nicht sinnvoll ist, erweisen sich Programme als erfolgversprechender, die gezielt Risikogruppen ansprechen. Hierzu zählen zum Beispiel Jugendliche, deren Eltern unter Depressionen leiden, bei denen kritische Lebensereignisse aufgetreten sind oder die ersten Depressionssymptome zeigen. Die Aufgabe der zukünftigen Forschung liegt darin, die Entstehung der Depression besser zu verstehen, um auf dieser Grundlage – auch alters- und geschlechtsspezifisch – präventive und psychotherapeutische Maßnahmen weiterzuentwickeln.