Corona. Wie hat die Krise unseren Job verändert?
- 13.11.2020
- Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Zwar sind die Auswirkungen von Covid-19 und den Eindämmungsmaßnahmen weitreichend: Kaum eine Erwerbsperson, die in ihrer Arbeit keine Veränderungen verspürt, kaum ein Aspekt von Erwerbsarbeit, der nicht beeinflusst wird. Allerdings hat die Pandemie in verschiedenen Bereichen der Arbeitsgesellschaft unterschiedliche Auswirkungen. Wir führen seit März ein Forschungsprojekt durch, das die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeitswelt untersucht: den Arbeitswelt-Monitor „Arbeiten in der Corona-Krise“. In der ersten Befragungswelle im April und Mai 2020 beteiligten sich mehr als 11.000 Erwerbstätige an der Online-Befragung. Auf dieser Basis lässt sich nachzeichnen, wie Erwerbstätige in ihrer Arbeit die Frühphase der Pandemie erlebt haben. Zu den wenigen globalen Trends, die quer über alle Branchen und in allen Beschäftigungsformen zu spüren waren, gehörten steigende Arbeitsbelastungen, häufige Konflikte zwischen Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit und eine relativ hohe Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber. Unterhalb dieser globalen Trends zeigen sich jedoch starke berufliche Ungleichheiten. Holzschnittartig können drei Erfahrungswelten unterschieden werden, die jeweils zudem von internen Ungleichheiten geprägt werden: Corona als Gesundheitsgefährdung, Corona als Wirtschaftskrise und Corona als Treiber neuer Arbeitsformen. In Dienstleistungsberufen, in denen mit und an Menschen gearbeitet wird, wurde die Pandemie häufig als Gesundheitsgefährdung gesehen. Ärzte, Lehrerinnen, Pflegekräfte, Erzieherinnen, aber auch Verkäufer und Reinigungskräfte können sich dem Kontakt mit Menschen kaum entziehen. Es sind diese Berufe, in denen die Sorgen vor einer Infektion in der Arbeit am verbreitetsten sind und die die Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers am häufigsten kritisieren – wobei die nicht-akademischen Berufe deutlich stärker betroffen waren. In den selbstständigen Berufen und unter Produktionsarbeitenden dominierte hingegen die Wahrnehmung der Pandemie als Wirtschaftskrise. Große Mehrheiten der Selbstständigen – niedergelassene Ärztinnen und Rechtsanwälten, freiberufliche Künstler, Unternehmerinnen und Kleingewerbetreibende – und der Produktionsbeschäftigten aus der Industrie mussten Einkommenseinbußen hinnehmen und gaben an, dass ihre berufliche Zukunft unsicherer geworden ist. Wie bei den Infektionssorgen sind akademische Berufe auch von den negativen wirtschaftlichen Effekten weniger stark betroffen. Das dritte Erfahrungsmuster – der Wandel der Arbeitsform – prägt Bürotätigkeiten: Sachbearbeiter, Managerinnen und Bürohilfskräfte, aber auch Ingenieure wechselten häufig ins Home-Office und erlebten einen Digitalisierungsschub in der Arbeit. Unter den Bürotätigkeiten wechselten akademische Berufe noch häufiger ins Home-Office als jene ohne oder mit berufsfachlicher Ausbildung. Da das Vermehrt-von-Zuhause-Arbeiten Entgrenzungsprobleme mit sich bringen kann und viele in der eigenen Wohnung nicht über einen ergonomisch ausgestatten Arbeitsplatz verfügten, stiegen auch in diesen Berufsgruppen die Belastungen. Kurzum: Covid-19 bringt die gesamte Arbeitswelt in Bewegung – aber auf sehr ungleiche Art und Weise. Politik, Gesellschaft und Arbeitswelt sind gefordert, die unterschiedlichen Erfahrungswelten ernst zu nehmen und dafür Sorge zu tragen, dass Covid-19 nicht die bestehenden sozialen Ungleichheiten verschärft. Ansonsten könnte langfristig die Akzeptanz der zur Bewältigung der Pandemie erforderlichen Maßnahmen sinken.