Monsterwellen aus dem Nichts. Wie wird aus einer harmlosen Meeresdünung eine gewaltige Woge?
- 13.11.2020
- Schon die Definition des Begriffs ‚Monsterwelle‘ ist schwierig, insbesondere seine Abgrenzung gegen den Tsunami. Im weitesten Sinne ist eine Monsterwelle eine Welle, die um ein Vielfaches höher ist als alle anderen Wellen in räumlicher und zeitlicher Nähe. Es gehört also zur Natur der Monsterwelle, scheinbar ‚aus dem Nichts‘ zu entstehen. Das kann natürlich nicht sein; was also geht hier vor? Früher hielt die akademische Welt 30 Meter hohe Monsterwellen einfach für Seemannsgarn. Heute befasst sie sich aufgrund seltener aber gesicherter, zum Beispiel satellitengestützter, Beobachtungen mit ihnen – mit mäßigem Ergebnis. Für eine direkte Berechnung, so wie man etwa eine Sonnenfinsternis sicher voraussagen kann, sind schon normale Wasserwellen viel zu komplex. Am besten nähert man sich der Frage vielleicht, indem man sie mal andersherum stellt: Wieso entstehen Monsterwellen nicht dauernd? Die Energie die in gewöhnlichen Wellen auf dem offenen Ozean etwa auf der Fläche eines Fußballfeldes steckt, reicht leicht aus, um eine einzige Monsterwelle aufzutürmen. Energetisch gesehen ist eine Monsterwelle also nicht ungewöhnlich, es braucht nicht unbedingt einen gewaltigen Sturm dafür. Warum sind Monsterwellen trotzdem relativ selten? In einem solchen Vorgang müssen sich sehr viele normale Wellen kooperativ ordnen; das spontane Entstehen von Ordnung ist aber in Konflikt mit physikalischen Grundprinzipien. So ähnlich wie Wärmenergie sich zum Beispiel in einem Stück Metall durch Wärmeleitung immer verteilt, tendiert ‚Wellenenergie‘ auch dazu, sich zu verteilen und nicht, sich zu konzentrieren. Zumindest gilt das für kleine Wellen in gleichmäßig tiefem Wasser. Diese laufen einfach durcheinander, wenn sie aufeinandertreffen. Das kann man leicht beobachten, wenn man zwei Steine in einen Teich wirft. Für den Konzentrationseffekt, der zur Monsterwelle führt, sind vermutlich folgende Faktoren entscheidend: eine sich verändernde Wassertiefe, Strömung und eine größere Wellenhöhe. In tieferem Wasser laufen zumindest kleine Wellen prinzipiell schneller. Wenn also ungefähr gleich lange Wellen in Richtung eines ansteigenden Meeresbodens laufen, holen die hinteren die vorderen nach und nach ein, sodass die einzelnen Wellen sich tatsächlich zu einer großen Welle aufkonzentrieren können. Dieses Phänomen kann man an Stränden beobachten, wo häufig hohe, geschlossene Wellenfronten auf Land laufen, obwohl es in größerer Entfernung vom Strand nur ungeordnete kleine Wellen gibt. Einen ähnlichen Effekt zeigen Wellen, die gegen eine Strömung laufen. Werden die Wellen höher, werden die Dinge kompliziert. Es ist dann nicht mehr notwendig richtig, dass aufeinandertreffende Wellen einfach durcheinander durchlaufen. Was allerdings im Allgemeinen genau passiert, ist unklar, viele sogenannte ‚nichtlineare‘ Gleichungen sind zur Beschreibung hoher Wellen vorgeschlagen worden. Manche sagen einen Konzentrationseffekt auch bei ebenem Grund voraus, benachbarte Wellen ziehen sich gleichsam an und vereinigen sich zu einer höheren Welle. Unter Laborbedingungen ist dieser Effekt auch im Wellenkanal nachgewiesen worden. Ob aber nun die Nichtlinearitäten oder die besondere Form des Meeresbodens tatsächlich für das Auftreten von Monsterwellen im Ozean verantwortlich sind, ist strittig. Manche Forscher sind der Meinung, es sei die Kombination von beidem: Sie erwarten, grob gesagt, ein vermehrtes Auftreten von Monsterwellen in mäßig stürmischen Gegenden, in denen es speziell geformte Untiefen wie Sandbänke etc. gibt.