Krähen, Delfine, Affen. Wie misst man Intelligenz bei Tieren?
- 13.11.2020
- Intelligenz bezeichnet die unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeit kognitive Funktionen zur Lösung eines Problems einzusetzen. Spezielle Intelligenztests, die beim Menschen dazu dienen, logisches Denken und sprachliche oder mathematische Fähigkeiten zu erfassen, gibt es für Tiere zwar nicht. Doch ausgeprägte Intelligenz ist auch im Tierreich verbreitet. Bei zahlreichen Tierarten konnten erstaunliche kognitive Leistungen nachgewiesen werden, die man lange nur dem Menschen zutraute. So kannte der Border Collie Rico über 250 verschiedene Gegenstände mit Namen und konnte sie auf Kommando apportieren. Dieser Hund ist sicherlich ein besonders begabter und intensiv trainierter Vertreter seiner Spezies. Wissenschaftliche Studien zeigen aber, dass er auch das Ausschlussprinzip einsetzen und darüber die Namen neuer Gegenstände lernen konnte. Auch der Graupapagei Alex konnte bestimmte Eigenschaften von Objekten erkennen. Er war ohne Weiteres in der Lage, Fragen nach Form, Farbe oder Beschaffenheit zu beantworten, und er konnte abstrahieren, um gleiche oder verschiedene Eigenschaften der Objekte zu benennen. Noch ausgeprägter ist dieses ‚Denken in Begriffen‘ bei Primaten und dort speziell bei den Menschenaffen. Das Bonobomännchen Kanzi konnte über 500 Symbole auf einer speziellen Tastatur bestimmten Begriffen zuordnen und sich darüber mit seinen Pflegern verständigen. Er verknüpfte die Symbole systematisch miteinander und nutzte so eine einfache Sprache, um sich eigenständig auszudrücken, etwa um über Aktivitäten seines Tages zu berichten oder Leckereien einzufordern. Die Menschenaffen waren auch die ersten, bei denen man Lernen durch Einsicht zur Lösung von Problemen beobachtete, etwa beim Übereinanderstapeln von Kisten oder Ineinanderstecken von Stäben, um eine an der Decke des Raums befestigte Banane zu erreichen. Den Gebrauch und die Herstellung von Werkzeugen beobachtet man auch bei Schimpansen im Freiland, etwa den Einsatz von bearbeiteten Stöckchen zum Angeln von Termiten oder den Gebrauch von Hammer und Amboss zum Nüsseknacken und von zerkauten Blättern als Schwamm. Delfine nutzen ebenfalls Schwämme als Werkzeuge, um ihre empfindlichen Schnauzen zu schützen, wenn sie im Meeresboden nach Nahrung graben. – Ein Verhalten, das junge Delfine von ihren Müttern erlernen, und das somit innerhalb der Gruppe tradiert wird. Interessanterweise konnte der Einsatz von Werkzeugen und weiteren ausgeklügelten Strategien zur Problemlösung auch bei Rabenvögeln nachgewiesen werden. Speziell die Neukaledonischen Krähen zeigten sich sehr talentiert und Kolkraben offenbarten ein außerordentliches Maß an sozialer Intelligenz. Werkzeuggebrauch sollte aber nicht per se als Marker für hohe Intelligenz verstanden werden. Denn auch Tiere ohne komplexes Nervensystem wie Ameisen oder Grabwespen nutzen Werkzeuge, genauso wie bestimmte Seeigel, die sich aktiv mit Objekten aus ihrer Umgebung bedecken und so vor Sonneneinstrahlung schützen. Außerdem ist es sehr wichtig, bei der Interpretation von tierischem Verhalten vorschnelle Schlussfolgerungen zu vermeiden, um nicht in die Falle des Anthropomorphismus zu tappen, also unserer Neigung, menschliche Eigenschaften in andere Lebewesen hineinzuprojizieren. Die eigene Erwartungshaltung kann die Ergebnisse eines Experiments oder einer Beobachtung deutlich beeinflussen. Dies muss unbedingt vermieden werden, um valide wissenschaftliche Ergebnisse zu erhalten, was natürlich auch für die Messung von Intelligenz bei Tieren gilt.