Verhalten – Wie leicht kann man sich von althergebrachten Denkmustern lösen?
- Dr. Fanny Dietel
- 22.11.2022
- Es gibt bestimmt viele Dinge, die wir gerne erben – etwa einen schönen Grundbesitz, Geld oder gute Kochrezepte. Überzeugungen und Einstellungen aus früheren Zeiten hingegen gehören nicht immer dazu. Doch egal, aus welchem Grund wir solche althergebrachten Glaubenssätze »verstaubt« finden – es stellt sich die berechtigte Frage, wie wir etwas ändern können, das uns möglicherweise über Jahrzehnte begleitet hat. Nehmen wir hierzu ein Alltagsbeispiel: während Ihrer selbst verordneten, neuen Diät sehen Sie im Vorbeigehen einen verlockenden Keks. Wie werden Sie reagieren? Klassische kognitivpsychologische Modelle gehen davon aus, dass Ihre Gedanken und Verhaltensweisen in dieser Situation durch zwei interagierende Systeme gesteuert werden: das impulsive und das reflexive System. Das impulsive System funktioniert schnell, automatisiert und häufig unbewusst – es greift dabei auf das zurück, was wir assoziativ – also beispielsweise. über Konditionierung – gelernt haben. Laut dem impulsiven System wäre die Verhaltensantwort: »Iss den Keks, denn er tut dir gut, und du hast das sowieso immer schon so gemacht!«. Das reflektive System auf der anderen Seite operiert eher auf der Basis logischen Schlussfolgerns und Reflektierens erlernter Werte und Fakten. Dabei ist es wesentlich langsamer, bewusst und erfordert mehr Mühe. Laut dem reflektiven System wäre die Verhaltensantwort: »Iss den Keks nicht, denn vor dem Hintergrund deiner Ziele ergibt das gar keinen Sinn!«. Beide Systeme konkurrieren nun um Ihr Verhalten. Wer gewinnt? Laut einer Reihe experimenteller Studien hängt das von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise. der zur Verfügung stehenden mentalen Kapazität und Motivation. Haben wir viel von beidem, können wir das reflektive System eher aktivieren. Ist beides jedoch, beispielsweise unter Stress, eingeschränkt, wird eher das impulsive System die Oberhand gewinnen. Glaubenssätze reflektieren und verändern: Das beschriebene Modell lässt sich auch auf andere Arten von Einstellungen und Verhalten übertragen: beispielsweise auch auf Glaubenssätze zu Themen wie Kultur und Diversität sowie auf Überzeugungen über uns selbst. Diese werden häufig früh in der Lerngeschichte etabliert, etwa über die Einflüsse von Eltern, Freunde und die Medien. Sie unterliegen aber gleichzeitig dem Wandel der Zeit, sodass sich letztlich ein Konflikt zwischen altem Glaubenssatz – im impulsiven System – und neuem Glaubenssatz – im reflektiven System – bilden kann. Dieser Konflikt lässt sich jedoch lösen, indem wir das neue Denkmuster so regelmäßig im reflektiven System verankern, bis dieses letztlich auch das impulsive System umstrukturiert. Dazu stehen uns, etwa in der kognitiven Verhaltenstherapie, eine Reihe von Techniken zur Verfügung. Hierzu gehören die kognitive Umstrukturierung, in der wir Gedanken schrittweise hinterfragen und glaubhafte Alternativen entwickeln, und Verhaltensexperimente, mittels derer wir Annahmen direkt im Feld prüfen und ggf. korrigieren können. In der klinisch-psychologischen Forschung zeigen sich solche erfahrungsbasierten und kognitiven Interventionen effektiv bzgl. einer Reihe von Verhaltensänderungen. Eine Reihe von Studien belegen, dass Trainings, die beispielsweise. auf unseren alltäglichen Interpretationen abzielen, unsere Denkmuster und beispielsweise. einhergehende Symptome einer psychischen Störung, wie der Depression, positiv verändern können. Der Effekt war hierbei studienübergreifend u.a. dann umso ausgeprägter, je häufiger die Proband*innen neue Interpretationsmuster trainierten, und je stärker ihre Symptome ausgeprägt waren. Diese Befunde geben Anlass zur Hoffnung – auch tief verankerte Glaubenssätze müssen demnach nicht geerbt werden, sondern lassen sich korrigieren. Man nehme: Motivation, Mühe, viel Training, und korrigierende Erfahrungen.