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Islam = Fundamentalismus? uri icon

  • Ucar, Bülent    
  • FB 03 – Erziehungs- und Kulturwissenschaften 
  • Islamische Theologie 
  • 07.11.2008
  • 1. Osnabrücker Wissensforum
  • In der säkularisierten Welt gilt die Vernunft nahezu als alleiniger Maßstab für die Kategorisierung und Bewertung des Seins. Scheinbar widersprechen Religionen insgesamt mit ihren Inhalten, Ansprüchen und Zielperspektiven der Vernunft. Der Islam wird in der "westlichen" Wahrnehmung vor diesem Hintergrund schlechthin als die Religion gesehen, die sich jedweder Aufklärung und Vernunft verschließt, ja diese aktiv bekämpft. Ist dieses Urteil nur auf die fehlerhafte Beobachtung der Menschen im Westen zurückzuführen, oder hat es gegebenenfalls auch seine Berechtigung? An dieser Stelle ist es hilfreich zunächst zwischen der Theorie und der konkreten Praxis zu unterscheiden. Unbeschadet der Tatsache, dass Aussagen der Religion -insbesondere die Metaphysik betreffend- weder verifizierbar noch falsifizierbar sind und damit sich dem Bereich der empirischen Wissenschaft und, wenn Sie wollen, auch der Vernunft im engeren Sinne entziehen, wird die Kontroverse zwischen Vernunft und Glaube interessant auf der engeren textuellen Ebene. Wie ist also eine Textstelle zu verstehen, die von der Hand Gottes spricht oder Aussagen über die Zukunft macht, die nicht zutreffen oder "eindeutig" wissenschaftlichen Ergebnissen widersprechen? Historisch gesehen haben die ersten Muslime sich in solchen Fällen zurückgehalten und diese Debatten nicht vertieft. Sie haben an die religiösen Vorgaben "einfach" geglaubt ohne diese weiter zu reflektieren und nach dem "Wie" zu fragen. Anscheinend hatten sie einen anderen Zugang zum Glauben und möglicherweise ein anderes Verständnis davon; folglich sahen sie keinen Bedarf diesen kritisch zu überprüfen. Nach der Expansion der Muslime wurde als Reaktion auf das vorgefundene griechische Erbe im Vorderen Orient, das in Europa mittlerweile durch das Erstarken des Christentums zunehmend in Vergessenheit geriet, eine intensive Beschäftigung mit dieser philosophischen Literatur eingeleitet. Dies hat zur Folge gehabt, dass muslimische Theologen eigene Schulen entwickelt haben. Nicht alle haben gleichermaßen die Bedeutung der Vernunft hervorgehoben. Nach einem erbitterten Kampf im 9. Jahrhundert hat man sich schließlich auf eine Kompromisslösung geeinigt, die bis heute vorherrschend in der islamischen Welt ist: das Sunnitentum. Die Mutazila -als Anhänger einer stark rationalistisch denkenden Schule- versuchten mit Hilfe staatlicher Stellen (einiger abbasidischer Kalifen!) ihre Vorstellungen der Bevölkerung ein halbes Jahrhundert aufzuoktroyieren. Am Ende mussten sie sich geschlagen geben. Ein Zurück in die Anfangszeit -noch ohne Berührung mit der griechischen Philosophie- war jedoch auch nicht mehr möglich, so dass ein Mittelweg über die theologische Schule der Aschariten und Maturiditen ca. um 1000 gefunden wurde. Später bezeichneten sich die Anhänger dieser Schulen als Sunniten. Viele Historiker sehen in dieser Kompromisslösung die Ursache für den Verfall und Niedergang der islamischen Welt nach dem 11. Jahrhundert. Die einseitige Zurückführung hierauf verkennt meines Erachtens eine Reihe von Faktoren. Es sei an dieser Stelle nur darauf hingewiesen,dass die Expansion der Muslime auf dem Balkan, in weiten Teilen Nordafrikas, in Süd- und Südostasien nach dieser Zeit stattgefunden hat. Historisch betrachtet war der Umgang der Muslime mit Nichtmuslimen nach unseren heutigen demokratischen Standards und unserem Verständnis von Menschenrechten sicherlich nicht ganz "koscher". Vergleicht man diesen jedoch historisch zeitbezogen, bekommt man definitiv ein anderes Bild etwa in Spanien unter den Omayyaden oder auf dem Balkan unter den Osmanen. Das vorherrschende Bild des Islams im Westen in unserer Gegenwart als die Religion einer Horde von Fundamentalisten hat viele Gründe: Historische Konflikte (Türkenkriege), die aus den kulturellen Codes einer auch säkularen Gesellschaft nicht wegzudenken sind, gehören ebenso dazu wie auch die Kanalisierung sozio-ökonomischer, demographischer und kultureller Konflikte in die Religion durch Muslime selbst wie auch durch externe Beobachter. Dazu kommt, dass muslimische Fundamentalisten diese Zuschreibungen geschickt für sich nutzen und über die Ausübung von Gewalt und Terror diese "Vor"urteile sogar bestärken. Es ist festzuhalten, dass die meisten muslimischen Theologen wie auch Muslime selbst etwa in Deutschland (siehe Sabanci-, KAS- oder Bertelsmannstudie) in unterschiedlichen Tönen Glaube und Vernunft, Religion und Moderne mit ihren demokratischen Errungenschaften in einer Brust tragen.

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