Wie lässt sich Begabung im Kindergarten und der Schule individuell fördern?
- 13.11.2009
- Zunächst einmal muss ein Kind die Chance haben, Begabungen und besondere Fähigkeiten zu entwickeln – und wir Erwachsene müssen sie erkennen und anerkennen. Und akzeptieren, dass es unterschiedliche Begabungen gibt, keine guten oder schlechten, sondern nur unterschiedliche. Gerade musikalische Fähigkeiten, motorische Kompetenzen, künstlerische Talente, aber auch soziale Kompetenzen bleiben oft unentdeckt, weil die Kinder keine Gelegenheit hatten, sie auszubauen (oder sie überhaupt erst mal zu entfalten). Für den Erwachsenen bedeutet dies, den Blick eher auf die Ressourcen des Kindes zu lenken, weniger auf die Defizite, sich also zu fragen: Was kann das Kind? Wo liegen seine besonderen Fähigkeiten und Kompetenzen. Es gilt das Neugier- und Explorationsverhalten der Kinder von Anfang an – in der Familie wie im Kindergarten – zu stärken. Begabungen entwickeln sich, wenn Kinder Anregungen zum Entdecken ihrer eigenen Potenziale haben, wenn sie Könnenserlebnisse machen, wenn sie Ermutigung durch ihre Umwelt erfahren, wenn sie spüren, dass vermeintliche Fehler, auftretende Probleme keine Sackgassen oder Barrieren, sondern ganz normale Schritte auf dem Weg zum Erfolg sind. Das wichtigste Mittel, die individuelle Begabung eines Kindes zu fördern ist es daher sein Selbstwertgefühl zu stärken, seine Motivation zu wecken, seine Neugierde zu erhalten, Aufwachsbedingungen zu schaffen, unter denen es eine optimistische Grundeinstellung entwickeln kann. damit es auch bei Misserfolgen nicht aufgibt sondern sich weiter um eine Lösung bemüht. Für eine günstige motivationale Entwicklung sollten Lenkung und emotionale Zuwendung in einem günstigen Verhältnis zueinander stehen. Ein mittleres Maß an Lenkung, verbunden mit hoher emotionaler Zuwendung hat sich durchgängig als positiv für die Leistungsentwicklung von Kindern erwiesen. Negativ wirkt sich dagegen ein zu hoher Erwartungsdruck aus – er führt zu Lernhemmungen und Lernblockaden. Voraussetzung dafür, dass ein Kind sein Potenzial entfalten kann, ist neben Wertschätzung und Anerkennung vor allem auch Zeit. Mit der Entdeckung der ersten Lebensjahre als Stufe des größten Fortschritts in der Entwicklung ist eine immense Hektik, ein Wettlauf der Bildungsinstitutionen entstanden. Einschulung mit spätestens fünf, Abitur nach acht Jahren, alles immer früher, immer schneller – als sei Bildung eine 100-Meter-Bahn auf der derjenige der beste ist, der sie am schnellsten durchläuft. Die Atemlosigkeit des Erwachsenenlebens wird auf die Kinder übertragen. Da ist für das Genießen des Lebens, für das Entdecken und die Entfaltung individueller Begabungen kaum mehr Platz. Wir sind nicht nur für die Zukunft des Kindes verantwortlich, sondern auch – wie es der polnische Kinderarzt Janusz Korzcak formulierte – für das Glück des heutigen Tages.