"So wahr mir Gott helfe" Ist diese Eidesformel noch zeitgemäß?
- 12.11.2010
- Gerhard Schröder legte als erster Bundeskanzler den Amtseid ohne den Zusatz »So wahr mir Gott helfe« ab und die meisten Minister folgten seinem Beispiel. Als Umweltminister Trittin sich mit dem Satz rechtfertigte: »Warum sollte mir Gott jetzt helfen, er hat mir doch die ganzen Jahre nicht geholfen?«, gab es in kirchlichen und konservativen Kreisen einen Aufschrei. Unter Kanzlerin Merkel wählten mit nur einer Ausnahme alle Regierungsmitglieder die religiöse Eidesformel. Sie mache uns bewusst, so sagte Angela Merkel, »dass all unser Handeln und Bestreben fehlbar und begrenzt ist«. Fast jeder US-Präsident beschwört die Hilfe Gottes. Die Schweizerischen Bundesräte sind gezwungen, einen mit »Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen« beginnenden Eid zu leisten, und auch das englische Eidgesetz von 1868 erzwingt bis heute eine mit »So help me God« endende Eidesformel. Dagegen durften Ulbricht und Honecker bei ihrer Vereidigung Gott nicht anrufen. Gleiches gilt für den russischen Präsidenten Putin und seinen türkischen Kollegen Erdogan. Ob es zeitgemäß ist, einen Eid auf Gott zu schwören, kann die Wissenschaft so wenig beantworten wie die Frage, ob Frauen heute noch Kleider tragen oder Männer mit Hut diesen beim Grüßen lüften sollen. Solche Werturteile und Geschmacksfragen können, wenn man den Objektivitäts- und Wahrheitsanspruch der Wissenschaft Ernst nimmt, nicht Gegenstand forschender Erkenntnis sein. Die Leistung der Wissenschaft besteht in der Klärung von Problemen und nicht in der Stiftung von Meinungen und Weltanschauung. Wo also liegen die Probleme? Verfassungspolitisch ist die religiöse Eidesformel da, wo sie erzwungen und vielleicht auch dort, wo sie Gläubigen verwehrt wird, ein Problem. Das wäre mit dem Recht auf Religionsfreiheit nicht vereinbar. Auch Theologen haben ihre liebe Not damit. Die frühen Kirchenväter sprachen sich noch gegen alles Schwören aus, weil »jedes Wort von Gläubigen statt eines Eides ist«. Und heißt es nicht in der Bergpredigt »Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt«. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb der 681 eingeführte päpstliche Amtseid heute als unzeitgemäß gilt. Als erster Papst verzichtete Paul I. nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil darauf. Einige Traditionalisten möchten den päpstlichen Schwur wieder einführen und etliche davon behaupten gar, es gäbe wegen seines Fehlens seit 50 Jahren keinen rechtmäßigen Papst mehr. War vielleicht auch Gerhard Schröder kein rechtmäßiger Kanzler, weil er die religiöse Formel schmähte – und Hartz IV ein Teufelswerk ohne den Segen Gottes? Was soll eine moderne Wissenschaft dazu mehr sagen als: Wer bei Gott schwören will, tue es und wer nicht, soll – wie der Papst – darauf verzichten dürfen.