Sind im Islam Mann und Frau gleichgestellt?
- 11.11.2011
- Die Diskussion um die Emanzipation von Frauen in einem politischen Streit zwischen Begrifflichkeiten wie Gleichheit, Gleichberechtigung und Gleichstellung abzutun, wäre an dieser Stelle völlig verfehlt. Letztlich besteht ein weitgehender Konsens auch im Westen darüber, dass beispielsweise Mann und Frau etwa im biologischen Sinne nicht gleich sind. Führen biologische Unterschiede aber auch zur ungleichen Behandlung vor dem Gesetz? Ich glaube, dass das die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist. Die meisten Konservativen, bis hin zu fundamentalistischen islamischen Gelehrten, werden dies mit Hinweis auf islamische Primärquellen und einem apodiktischen Verständnis bejahen. In unterschiedlichen Färbungen werden religiöse Normen an dieser Stelle einseitig und selektiv betrachtet, als überzeitlich wahrgenommen und ohne den historischen Kontext zu beachten für verbindlich erklärt. Gerne wird hier auch auf die Gesetzgebung im Westen rekurriert. So müsse man Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln. Schließlich müssten auch im Westen nur Männer zur Armee und Frauen weitgehend nicht, da sie im Gegenzug Kinder erziehen würden. Relativ häufig spricht man in dieser Konstellation von einer »ausgleichenden Behandlung«. Andere islamische Theologen bejahen zwar die Existenz von religiösen Normen, die Frauen vor dem Gesetz ungerecht behandeln, stufen diese jedoch im Großen und Ganzen als historisch ein und wollen diese teleologisch, zweckgebunden auslegen. Beispielsweise würden diese die koranisch legitimierte Polygamie (vgl. Koran 4/3) folgendermaßen erklären: Im 7. Jahrhundert sei es auf der Arabischen Halbinsel völlig üblich gewesen, mehrere Frauen zu haben. Der Koran hätte dies eingeschränkt und die Einehe empfohlen. Daher sei die erst im 20. Jahrhundert weitgehend verwirklichte Monogamie Ziel und überzeitliche islamische Norm, die Polygamie jedoch historisch und zeitbedingt. An diesem plastischen Beispiel wird letztlich deutlich, dass die Beantwortung der Ausgangsfrage eine Frage des methodischen Zugangs ist. Jene, die die Quellen ähnlich wie im Christentum und Judentum einseitig wortlautgetreu verstehen (vgl. 1.Tim. 2,11-12 u. 1.Kor. 11,7 u. Eph.5,22), werden die Gleichstellung von Mann und Frau normativ verneinen. Andere mit einem reflektierenden Zugang werden sich progressiveren Entwicklungen gegenüber auf der Basis der islamischen Primärquellen eher öffnen. Kurz in einem Satz könnte man auch sagen, wer in den religiösen Texten eine fixe, ewig verbindliche wortlautgetreue normative Kraft sieht, wird die Gleichstellung von Frauen im Islam negieren. Andere, die diese Quellen in ihrem historischen Kontext sehen und diese zielorientiert auslegen, öffnen sich immer mehr der Idee der Gleichberechtigung von Frauen.