Magersucht und Bulimie. Warum nehmen Essstörungen bei Frauen zu?
- 11.11.2011
- Zunächst einmal: Magersucht und Bulimie haben bis Mitte der 90er-Jahre zugenommen; dann aber hat sich die Anzahl der Neuerkrankungen stabilisiert. Diese zeitweilige Zunahme der Essstörungen wurde unter anderem mit dem Wandel des Schönheitsideals in den westlichen Kulturen in Zusammenhang gebracht. Das Schönheitsideal einer Gesellschaft wird stark beeinflusst von der jeweiligen politischen bzw. sozialen Situation: War es in der Nachkriegszeit in Deutschland – als Zeichen von Wohlstand – noch attraktiv, etwas »fülliger« zu sein, hat sich das Idealbild ab den späteren 60er-Jahren in Richtung extremer Schlankheit gewandelt. Auch heute noch ist ein Model um mehr als 20 Prozent dünner als die »Durchschnittsfrau«. Während in den östlichen Industrienationen (wie z. B. Japan), in denen ein ähnliches Schlankheitsideal wie in den westlichen Ländern vorherrscht, Essstörungen ähnlich häufig auftreten, sind die Raten für Magersucht und Bulimie in den von Nahrungsknappheit geprägten Entwicklungsländern deutlich geringer. Die Massenmedien scheinen eine bedeutende Rolle bei der Vermittlung dieses ungünstigen Schlankheitsideals zu spielen. So war beispielsweise auf den Fidschi-Inseln nach der Einführung des Fernsehens Mitte der 90er-Jahre ein Zuwachs an Essstörungen zu verzeichnen. Dem sich in Richtung eines sehr dünnen Körpers wandelnden Schlankheitsideal steht das reale Gewicht der Bevölkerung in den Industrienationen entgegen: Seit Mitte der 80er-Jahre ist der Anteil an übergewichtigen Menschen in der Gesellschaft auf über 20 Prozent gestiegen, wobei sich die Anzahl der jungen Frauen mit starkem Übergewicht in diesem Zeitraum sogar verdoppelt hat. Hieraus ergibt sich eine immer größere Kluft zwischen dem idealen und dem tatsächlichen Körpergewicht. Dies führt zu einer deutlicheren Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und mündet oft in den Einsatz verschiedener, zum Teil auch ungesunder Methoden zur Gewichtsabnahme wie etwa extremes Diäthalten. Diese Verhaltensweisen können nachgewiesenermaßen den Weg in eine Essstörung bahnen. Da nur ein relativ kleiner Teil der in den Industrienationen lebenden Bevölkerung unter Essstörungen leidet, können gesellschaftliche Faktoren nicht die einzige Ursache für Magersucht und Bulimie sein. Damit es zur Entwicklung einer Essstörung kommt, müssen auf Seiten der betreffenden Person weitere Risikofaktoren vorhanden sein. Wissenschaftlich belegt sind in diesem Zusammenhang der Einfluss übertriebener Figur- und Gewichtssorgen sowie eines geringen Selbstwertgefühls. Diese Merkmale bestimmen unter anderem, wie sehr sich eine Person anstrengt, um dem Schlankheitsideal zu entsprechen, unter Umständen auch durch gesundheitsschädigende Maßnahmen, die längerfristig in eine Essstörung münden können.