Zu früh in die Kita. Bildungselite oder Rabeneltern?
- 23.11.2012
- Bildung beginnt bei der Geburt – weiß man heute. Aber muss man dafür eine Kita, ein Krippe besuchen? Die Zusage der Bundesregierung, ab 2013 für 35 Prozent aller Kinder unter drei Jahren einen Kindergartenplatz bereitzustellen löste die Diskussion aus, ob dies überhaupt erforderlich sei, ob nicht ein Kind besser in der Familie aufwächst, ob ein Krippenplatz sogar schaden kann. Hinzu kommen die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die belegen, wie lernfähig gerade kleine Kinder sind, wie die Vernetzung ihres Gehirns jedoch auch von den Anregungen abhängt, die sie erhalten. Sind nun die Eltern Rabeneltern, die schon einen Kindergartenplatz suchen bevor die Kinder drei sind, oder ist das die Bildungselite, die ihren Kindern möglichst optimale Bedingungen des Aufwachsens und Bildungschancen ermöglichen will? Aufgeheizt wird die aktuelle Diskussion zudem durch den Streit um das Betreuungsgeld. Da täte man gut daran, einmal auf Studien zu schauen, die sich mit den Auswirkungen eines frühen Krippenbesuchs befassen. Sehr aufschlussreich sind die Ergebnisse einer Studie, die im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in Deutschland untersuchte, welchen Einfluss der Besuch eines Kindergartens bereits vor dem 3. Lebensjahr auf die Schullaufbahn der Kinder hatte: Die Forscher fanden heraus, dass der Krippenbesuch einen signifikanten Bildungseffekt hat und die Chancen fördert, nach der Grundschulzeit auf das Gymnasium wechseln zu können. Da dieser Befund auch bei Kontrolle der sozialen Herkunft und des Migrationshintergrunds signifikant ist, bedeutet das Ergebnis, dass dem Besuch des Kindergartens eine eigenständige Wirkung zukommt. Für Kinder bildungsferner Eltern fällt der Effekt des Kindergartens auf den Übergang ins Gymnasium höher aus als für nicht benachteiligte Kinder. Für sozial benachteiligte Kinder steigert sich die Wahrscheinlichkeit für den Übergang ins Gymnasium um 26 Prozentpunkte von 15 auf 41 Prozent und für sozial privilegierte Schulkinder um 12 Prozentpunkte von 47 auf 59 Prozent. Das heißt, bestehende Ungleichheiten von Bildungschancen können nicht vollkommen ausgeglichen werden, sie werden aber erheblich abgemildert, wenn Kinder die Möglichkeit haben, schon früh – etwa ab dem 2. Lebensjahr – einen Kindergarten zu besuchen. Nach den Ergebnissen der PISA-Studie 2003 deuten sich auch längerfristige positive Wirkungen an. So liegt bei den 15-Jährigen mit längerem Kindergartenbesuch die durchschnittlich erreichte Punktzahl in den Kompetenzbereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften höher als in den Vergleichsgruppen. Allerdings muss immer auch bedacht werden, dass die Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel der Betreuungsschlüssel, für das Wohlbefinden des Kindes in der Kita entscheidend sind und dass es auch eine systematische, behutsame Eingewöhnungszeit geben muss. Unter diesen Umständen kann eindeutig gesagt werden: Es sind weder Rabeneltern noch die Bildungselite, die sich für den frühen Kitabesuch ihrer Kinder entscheiden. Und wer einmal in einem Kindergarten war weiß, wie fröhlich, neugierig, entspannt und aktiv Kinder dort spielen und sich vor allem auch gegenseitig anregen können. Entscheiden müssen Eltern letztendlich selber – nur eine Belohnung für das Fernhalten des Kindes vom Krippenbesuch sollte es nicht geben.