Eurokrise. Braucht Europa eine Fiskal- und Bankenunion?
- 23.11.2012
- Wenden wir uns zunächst der Frage nach der Fiskalunion zu. Darunter versteht man typischerweise die Existenz einer gemeinsamen Fiskalpolitik für mehrere Länder, so wie wir sie aus dem deutschen Länderfinanzausgleich kennen. Gemeint sind dabei zwei wichtige Elemente: Einerseits geht es um gemeinsame fiskalpolitische Regeln – Rahmenbedingungen für die Bestimmung von Steuern, Staatsausgaben und Haushaltdefiziten. Anderseits geht es um die Möglichkeit, unter der Einhaltung dieser Regeln gegebenenfalls eine Umverteilung zwischen schwächeren und stärkeren Regionen durchzuführen. Wenn ich jetzt die Frage beantworte, ob Europa eine Fiskalunion braucht, dann muss ich nicht auf die Frage nach der Notwendigkeit der Umverteilung eingehen. Denn diese Umverteilung ist politisch beschlossen worden und findet bereits statt: zum Beispiel im Rahmen der Notkredite für Staaten, die sehr wahrscheinlich nie zurückgezahlt werden. Es ist jetzt viel wichtiger, die Frage nach den noch fehlenden fiskalpolitischen Bedingungen zu klären, an die die Umverteilung geknüpft werden soll. Im Rahmen dieser Regeln sollte zum Beispiel geklärt werden, ob Länder, die sehr viel niedrigere Steuersätze oder großzügigere Sozialsysteme haben, Zugang zu den umzuverteilenden Fiskalmitteln bekommen. Denn nur wenn solche Regeln glaubwürdig eingesetzt werden, hätten die Regierungen überhaupt Anreize zur Haushaltskonsolidierung. In diesem Sinne ist jetzt eine Fiskalunion notwendig. Sonst blieben wir in der jetzigen Situation stecken, die einfach so erklärt werden kann: Wir haben uns bereits darauf eingelassen, eine gemeinsame Kreditkarte zu nutzen, haben es aber noch versäumt zu klären, für welche Zahlungen diese Kreditkarte eingesetzt werden darf und aus welchen Girokonten das Geld am Ende abgebucht werden soll. Einer der Gründe, warum manche Staaten der Europäischen Union auf Transfers im Rahmen der Fiskalunion angewiesen sind, ist die Tatsache, dass ihre Regierungen entschieden haben, enorme Summen für Bankenrettungen einzusetzen. In Irland führten die Ausgaben für die Bankenrettung zu einer Erhöhung der Staatsverschuldung um mehr als 30 Prozent der Wirtschaftsleistung und zwangen die Regierung dazu, Nothilfen für ihren Haushalt zu beantragen. Das Beispiel Spaniens zeigt aber, dass es auch einen anderen Weg zur Finanzierung der Bankenrettungen gibt. Dieser Weg erlaubt, dass die Kosten der Bankenrettung direkt auf alle Mitglieder der Eurozone verteilt werden. Es entsteht eine gemeinsame Haftung für Bankenrisiken. Diese gemeinsame Haftung ist ein Bestandteil der sogenannten Bankenunion. Genau wie bei der Fiskalunion beobachten wir jetzt aber eine sehr unvollkommene Form der Bankenunion, bei der die Umverteilung der Kosten von Bankenrettungen bereits stattfindet (die Notmaßnahmen der EZB und der direkte Zugang von Banken zu dem ESM sind Beispiele dafür), aber es noch keine Einigung darüber gibt, an welche Regeln diese Rettungen geknüpft sein sollen. Damit die Bürger mindestens die Hoffnung haben, dass der Einsatz ihrer Steuergelder nicht ganz willkürlich erfolgt, sollte die Umverteilung, die bereits in vollem Gange ist, durch strenge Regeln im Rahmen einer Fiskal- und Bankenunion ergänzt werden.