Solidarzuschlag. Ist die Zwangsabgabe Ost noch zeitgemäß?
- 23.11.2012
- Jedes Mal wenn wir einen Blick auf unsere Lohn- oder Gehaltsabrechnung werfen, dürfen wir uns über die deutsche Einheit freuen. Wer darauf den Posten Solidarzuschlag entdeckt, leistet mit der 5,5-prozentigen Ergänzungsabgabe einen Beitrag zu den Kosten der deutschen Einheit. Und das – mit kurzer Unterbrechung – nun schon seit 21 Jahren. Von 1991 bis 2011 sind von der auch »Soli« genannten Abgabe insgesamt 212 Milliarden Euro in die Bundeskasse gespült worden. Diese Zahl hat die Bundesregierung kürzlich mitgeteilt und betont, dass die Finanzlage weiterhin angespannt und die Vereinigungslasten noch so groß seien, dass sie auf den Soli nicht verzichten könne. Daran zweifelt nicht nur der Bund der Steuerzahler. Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks kritisierte, dass von den 2013 erwarteten Soli-Mitteln in Höhe von 14 Milliarden Euro nur die Hälfte – 6,5 Milliarden – in die neuen Bundesländer fließen werden. Mit dem Rest finanziert der Bund vielleicht das Betreuungsgeld und andere im Bundestagswahljahr anfallende Gefälligkeiten. Doch damit nicht genug: Von dem Betrag investierten nur Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern die Mittel wie vorgesehen in langfristige Aufbauprojekte: Straßenbau, Forschung, Wirtschaftsförderung und dergleichen. Sachsen-Anhalt bezahlte damit einen Teil des öffentlichen Dienstes. Andere leisteten sich teure Kultureinrichtungen mit der Folge, dass die Pro-Kopf Ausgaben für Kultur in Ostdeutschland nun 40 Prozent über denen im Westen liegen. Und all das ganz legal: Für das Bundesverfassungsgericht und den Bundesfinanzhof sind bislang weder die fehlende Befristung noch die fehlende Zweckbindung der Einnahmen juristisch zu beanstanden. Häufig wird der Soli mit dem Solidarpakt verwechselt, der die westdeutschen Länder und Kommunen an den Kosten des »Aufbaus-Ost« beteiligt. So wie jeder Einkommensempfänger zahlen auch sie ihren Teil an den Kosten der deutschen Einheit. Seit 1991 hat allein Osnabrück 162 Millionen Euro beigesteuert. Der Solidarpakt von Bund und Westländern läuft 2019 aus. Er muss aber, will man am Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland festhalten, verlängert werden. Ob das auch für den Soli gilt? Letztendlich wird keine Bundesregierung auf ihn verzichten wollen. Sie braucht die Einnahmen, zumal in Zeiten der Schuldenbremse. Ist die Ergänzungsabgabe zur Finanzierung der Deutschen Einheit heute noch zeitgemäß? In Umfragen halten sie 76 Prozent im Westen und 44 Prozent im Osten für überflüssig. Historisch gesehen ist sie so unzeitgemäß wie die Schaumweinsteuer. Die wurde 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt und erst 1933 abgeschafft, dann aber 1939 in Form eines Kriegszuschlages zum Ausbau der U-Boot-Flotte wieder eingeführt. Es gibt sie heute noch. Der Soli ist zwar keine reguläre Steuer und wurde auch nicht zu Aufrüstungszwecken eingeführt. Als Ergänzungsabgabe wird er uns vermutlich noch auf Jahre hinaus an das Glück der Einheit erinnern.