Muslimbrüder. Lässt der politische Islam sich mit Verboten bekämpfen?
- 15.11.2013
- Die Muslimbruderschaft zählt in Deutschland knapp 2.000 Mitglieder. In Ägypten, wo sie 1928 gegründet und mehrfach verboten wurde, sind es eine Million und mehr. Aus der straff geführten Bruderschaft, zu der zunehmend auch Muslimschwestern zählen, sind bekannte Parteien hervorgegangen: in Palästina – die Hamas – in Indonesien, Libyen, Tunesien, Jordanien, Ägypten, Marokko, etliche davon Regierungsparteien. Warum sollte man sie verbieten wollen? Zumal die Bruderschaft nach Einschätzung des Hamburger Verfassungsschutzamtes mittlerweile gewaltfrei agiert. Ihre Gegner bezweifeln das. In Ägypten wurde sie jüngst erneut verboten, der ihr zugehörige, gewählte Staatspräsident Mursi abgesetzt und eingesperrt. Ob friedfertig oder gewaltbereit, vertritt die Bruderschaft rückwärtsgewandte religiöse Werte, die sie von der westlichen Moderne bedroht sieht. Sie orientiert sich an Wegweisungen ihres Gründers Hasan al-Bannā, die im Wesentlichen politische Ziele darstellen: eine »rechtgläubige« Regierung, die Stärkung der Gemeinschaft der Muslime durch die Befreiung ihrer Länder von fremder Herrschaft, die politische Einheit aller Muslime. Soweit könnten die Muslimbrüder als eine religiös fundierte, anti-imperialistische, pan-arabische Befreiungsorganisation verstanden werden, aber auch als eine nach Expansion und Alleinherrschaft strebende Bewegung, die gelegentlich durch totalitäre Ansichten, Antisemitismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Antiamerikanismus und mangelnde Distanz zu politisch motivierter Gewalt auffällt. Man kann eine solche Bewegung kaum mit Verboten eindämmen – nicht dauerhaft, nicht wenn ihre Gefolgschaft in die Millionen geht, und auch nicht, wo eine demokratische Verfassung dem Verbot enge Grenzen setzt. Ob eine mit der Moderne versöhnte Theologie den politischen Islam in die Schranken weisen kann, erscheint ebenso fragwürdig. Bislang konnte sie weder in Ägypten noch in der Türkei die Islamisierung von Politik und Gesellschaft aufhalten. Im Gegenteil, es besteht die Gefahr einer neuerlichen, nun eben von moderater Seite ausgehenden Indienstnahme der Religion für politische Zwecke. Der auf Verbotsdrohung und religiöse Unterweisung setzende Ansatz übersieht, dass hier politische Ordnungsvorstellungen infrage stehen, und daher nicht in erster Linie religiöse, sondern politische Bildung Not tut. Totalitäre Ideologien ruhen auf einem politischen Lügengebäude. Um zu verhindern, dass sich das Volk belügen lässt, muss der Ideologie des politischen Islam wie jeder anderen Ideologie nicht mit religiöser Identitätsbildung begegnet werden, sondern mit demokratischer Aufklärung und Staatsbürgerkunde. Und da gäbe es nicht nur in arabischen, sondern ebenso an vielen deutschen, namentlich auch niedersächsischen Schulen Reformbedarf.