Juden, Muslime, Ausländer. Wie tolerant sind Studierende?
- 15.11.2013
- Die Studie »Öffentliche Ansichten und persönliche Meinungen an zwei Universitäten in Deutschland und Kanada« ist ein kooperatives, internationales Projekt, welches wir gemeinsam mit Prof. Dr. Charlotte Schallié von der University of Victoria in Kanada durchgeführt haben. Einer häufigen Annahme zufolge finden sich Vorurteile und rassistische beziehungsweise antisemitische Einstellungen vornehmlich in den weniger gebildeten Gesellschaftsschichten. Doch stimmt dies tatsächlich? Wie verbreitet ist ausgrenzendes Denken im akademischen Milieu? Die empirische Studie untersucht dies bei Studierenden an den Universitäten in Osnabrück und Victoria. Das Forschungsziel war es, anonym Einstellungen Studierender zu Ausländerfeindlichkeit, Geschlechterrollenstereotypen, Vorurteilen/Gewaltakzeptanz gegenüber Minderheiten, antimuslimischen Vorurteilen und Antisemitismus zu erforschen. Die Studie hatte einerseits als Ziel, das Ausmaß der einzelnen sozialen Vorurteile einzufangen und andererseits die möglichen Verbindungen zwischen den Vorurteilsbereichen zu untersuchen. Sie liefert aber keine Erklärung zur Entwicklung der sozialen Vorurteile. Es ist eine Querschnittstudie, kausale Beziehungen sind somit nicht möglich. Die Studie gibt den beteiligten Universitäten Einsicht in die Vorurteilsstrukturen Studierender und damit auch die Möglichkeit gegenzusteuern. Wir haben im Jahr 2013 insgesamt 1800 BA-Studierende (1004 aus Osnabrück, 796 aus Victoria) mit einem anonym und freiwillig ausgefüllten Fragebogen befragt. Festhalten konnten wir dabei erstaunlich ähnliche Ergebnisse trotz sehr unterschiedlicher Stichproben und gesellschaftlicher Kontexte in Deutschland und Kanada. Weitere konkretere Ergebnisse lauten, dass rund 50 Prozent der befragten Studierenden »klassischen« oder »sekundären«, also einen weniger offensichtlich und subtiler geäußerten, Antisemitismus aufweisen und rund 80 Prozent von ihnen an beiden Universitäten antimuslimische Vorurteile vertreten. Neun von zehn Studierenden pflegen in unterschiedlichen Variationen ausländerfeindliche Vorurteile. Aber Vorsicht: Wir können hier nur feststellen, dass Vorurteile existieren. Woher sie stammen, wird dabei nicht erklärt Zurzeit liegt somit ein Befund vor, der sicherlich auch an anderen Universitäten und Fachhochschulen festzustellen wäre. Wir werden nun 2014 eine ähnlich gelagerte Erhebung national wie auch international an etwa zehn Universitätsstandorten vornehmen und dadurch die Ergebnisse sowohl auf eine breitere Datenbasis stellen wie auch deutlicher einordnen können. Für beide Universitäten gilt somit, dass die soziale Integration internationaler Studierender oder Studierender, die nicht den Mehrheitskulturen entstammen, fraglich wird. Inner- wie auch außeruniversitäre Alternativen zur Beeinflussung dieser Entwicklungen sind dringend gefragt, wenn eine offene demokratische Gesellschaft nicht nur theoretisch gefordert, sondern auch praktisch im Alltag verwirklicht sein möchte.