Staatsvertrag für Muslime. Zementierung einer Parallelgesellschaft?
- 15.11.2013
- »Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart und er ist Teil unserer Zukunft. Muslime sind in Deutschland willkommen. Sie sollen ihre Talente entfalten und sie sollen unser Land mit weiter voranbringen.« Eine wahre und eigentlich selbstverständliche Realität, die der ehemalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in der ersten Deutschen Islam Konferenz (DIK) widerspiegelte. Muslime in Deutschland sollen sich als Teil der deutschen Gesellschaft verstehen und von dieser auch so verstanden werden. Stetige Dialogverhandlungen sollen dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen und künftig Muslime als Religionsgemeinschaften anzuerkennen. Angesichts dieser Tatsache und der Aufgabe des Staates, allen Religionsgemeinschaften gleich gegenüberzustehen und somit das Prinzip der Parität zu waren, ist der intendierte Staatsvertrag mit Muslimen in Niedersachsen als ein wichtiges, rechtshistorisch bedeutendes Ereignis zu verzeichnen. Muslime sollen beispielweise eigene Feiertage und das Recht auf Religionsunterricht haben. Sie sollen alle Rechte erhalten, die ihnen in Anlehnung eines Staatsvertrages (bzw. einer Körperschaft) zustehen. Mit diesem Vertrag will das Land Niedersachsen rechtliche Rahmen schaffen, um die Gleichberechtigung der Muslime durch die Integration ins politisch-rechtliche System und durch die Teilhabe an der sozialen Partizipation zu realisieren. Überdies ist es grundlegend, die Medien für das gesamte Gemeinwohl positiv zu nutzen, mit Diversitäten konstruktiv umzugehen und nicht anhand von Framing-Effekten oder Ähnliches auf Kosten von Minderheiten zu manipulieren. Daher werden die geplanten Staatsverträge nicht selten als Schritt in eine so genannte Parallelgesellschaft gesehen. Diese nicht klar definierte, polemisch angehauchte Terminologie impliziert, dass innerhalb der Gesellschaft eine weitere, institutionelle, in sich geschlossene Gesellschaft existiert, die in ihrem Norm- und Werteverständnis konträr zur Mehrheitsgesellschaft steht und somit eine kontraproduktive Entwicklung darstellt. Festgestellt wird die Entwicklung der Parallelgesellschaft vor allem durch die Sichtbarkeit der Muslime und durch Symbole (Moscheen, Kopftuch). Eine exakte und konsensuale Inhaltsbestimmung findet nicht statt. Der Vergleich der Kulturen führt zu Bewertungen und Asymmetrisierungen, um die dominierende Selbstbeschreibung des eigenen Gemeinwesens zu untermauern und die Vielfältigkeit durch erzwungene (Schein-)Homogenität und nationalkulturelle Selbstbeschreibungen aufzuheben. Bedauerlicherweise wird eine Abgrenzung vor allem in Bezug auf die Muslime sehr offenkundig propagiert. Vermeintliche Abweichungen in Form spezifisch muslimischer Lebensstile werden als Abkapselung von der Gesellschaft verstanden und als »Parallelgesellschaft« angeprangert. Hier scheint es doch erkennbar um gewisse Prärogative zu gehen, die verdeutlichen, dass diese Diskussion den Grundsätzen und Denkweisen der Mehrheitsgesellschaft entsprechen müsste und die Vielfalt und Pluralität, die seitens des Staates für alle seine Bürger gewährt wird, in gewissen Punkten nicht verinnerlicht wurde. Wolf-Dietrich Bukow bringt es auf den Punkt: »Die Debatte um die Parallelgesellschaft findet in einer virtuellen, vormodernen Welt der gefühlsmäßigen Orientierung an überkommenen gemeinschaftsgesättigten, gesamtgesellschaftlich angelegten Deutungsmustern statt.« Es liegt uns sehr viel daran, uns dieser Herausforderung zu stellen, Hand in Hand die Probleme unserer Gesellschaft, unseres Landes nachhaltig und so gut wie es nur möglich ist anzugehen und darüber hinaus das gesamte Gemeinwesen fortwährend mitzugestalten.