Migräne oder Hexenschuss. Lässt sich Schmerz messen?
- 14.11.2014
- Schmerz ist eine unangenehme Wahrnehmung, die aus evolutionärer Perspektive als Warnsignal des Körpers verstanden werden kann. Er kann sich aber auch ins Gehirn »einbrennen« (chronisches Schmerzsyndrom). Dieses Krankheitsbild verlangt nach einer gründlichen Diagnostik und es stellt sich die Frage: Kann man Schmerz messen? Vorab: »Jein«. Zur Erklärung: Beim Einschlagen eines Nagels trifft Hammer auf Daumen. Dabei werden über Schmerzsensoren in der Haut Signale ins Gehirn geleitet, und dort als Schmerz interpretiert. Wir spüren nicht den Daumen an sich, sondern die Hirnaktivität als Resultat dieser Verletzung. Der Finger an sich spürt also keinen Schmerz und das Gehirn wurde nicht vom Hammer getroffen. Dieses Paradox macht die Messung schwierig. Eine Möglichkeit Schmerz zu erfassen sind Skalen, auf denen der Schmerz von »mäßig«, »mittelstark«, über »stark« bis »unerträglich« eingestuft und durch Qualitätsangaben ergänzt wird (dumpf, stechend). Diese Angaben sind allerdings hochgradig subjektiv. Weiterhin existieren interindividuelle Unterschiede im Schmerzerleben und die Schmerzwahrnehmung wird durch eine Reihe psychologischer Faktoren beeinflusst. So nehmen Männer Schmerz weniger intensiv wahr, während sie emotional ablenkende Bilder betrachten (Fotos attraktiver Frauen). Auch die Aufmerksamkeit spielt eine wichtige Rolle (»erst als ich das Blut sah, tat es weh«). Selbstauskünfte sind also ein unzureichendes Maß den Schmerz zu messen, und man ist bestrebt, zu objektiven Schmerzmaßen zu gelangen. Neben der Aufzeichnung von Mimik, Atemfrequenz, treten hier neurowissenschaftliche Untersuchungen in den Vordergrund. Diese zeigen jedoch, dass kein eindeutiges Aktivierungsmuster im Gehirn existiert, das für einen bestimmten Schmerz spezifisch wäre (beispielsweise exenschuss versus Zahnschmerzen). Zwar wird in bestimmten Hirnarealen vor allem die Schmerzintensität kodiert, während andere Gebiete die emotionale Reaktion auf den Schmerz verarbeiten; ähnliche Hirnareale werden allerdings auch durch in Hypnose suggerierten Schmerz oder soziale Pein (Ablehnung durch eine Gruppe) aktiviert. In einer aktuellen Publikation im renommierten New England Journal of Medicine wird gefolgert, dass es der Hirnforschung inzwischen zwar möglich ist, das Vorhandensein von physischem Schmerz von anderen hervorstechenden Ereignissen zu unterscheiden; Einzelfalldiagnosen sind allerdings (noch) nicht möglich. Wäre es also möglich Schmerz zu simulieren, um sich spezifische Vorteile zu verschaffen (finanzielle Entschädigung)? Im Prinzip ja. Über Plausibilitäts- und Konsistenzprüfungen sind allerdings geschulte Gutachter in der Lage solche Simulationen zum Teil aufzudecken. Schätzungen gehen davon aus, dass es sich nur bei etwa acht Prozent chronischer Schmerzpatienten um Simulanten handelt. Zu Schluss: Man kann Schmerz messen aber nicht wie den Blutdruck mit absoluter Gewissheit. Aber eine Sache ist gemäß Heinz Erhardt gewiss: »Es werden Schmerzen erst nachdem sie nachgelassen angenehm.«