Islamischer Staat. Ein sicherheitsrisiko für Deutschland?
- 14.11.2014
- Die Ursprünge des islamischen Staates, der Teile des Iraks und Syriens beherrscht und dem sich Kämpfer in neun weiteren Ländern des Nahen und Mittleren Ostens und Afrikas zuordnen, geht auf die Invasion des Iraks 2003 zurück. Sein militärisches Rückgrat bilden Offiziere der von den US-Streitkräften aufgelösten irakischen Armee, die sich dem salafistischen Jihad zuwandten. Ihre reichlich fließenden Finanzmittel sollen aus Handelsgeschäften, Zuwendungen aus der Golfregion, Steuern und Abgaben sowie Raubdelikten herrühren. Sie verfügen über modernes Kriegsgerät, das überwiegend aus amerikanischen Waffenlieferungen an den Irak stammt. Ob der Islamische Staat für Deutschland eine Gefahr ist? Wer wollte es verneinen, nachdem etwa 500 Deutsche für ihn kämpfen und Tausende vor ihm hierher flüchten. Wir erleben eine zunehmende Islamangst, die Ankunft von Asylsuchenden, und wir erfahren von Jugendlichen aus vielen Ländern, die dem Islamischen Staat ihr Leben opfern. Politik, Medien, Angehörige und Behörden rätseln über die Hintergründe. Wenig rätseln muss man über die Ursachen im Nahen Osten. Wer die historische Last, die politischen Brüche und Verwerfungen sowie die geo-ökonomischen und geo-strategischen Besonderheiten dieser Region nachzeichnet, stellt fest: Die politischen und territorialen Konflikte werden von religiösen Glaubenskämpfen überlagert. Der Islamische Staat legitimiert sich gegenüber seinen Anhängern mit der Behauptung, er würde am festesten und umfassendsten an der göttlichen Offenbarung des Korans festhalten. Hinzu kommt, dass er sich als Kalifat versteht und seinen Anführer als direkten Nachkommen (khilafat=Nachfolge) des Propheten Mohammed betrachtet. Die Wirksamkeit dieser auf Religion und Tradition abhebende Rechtfertigung seines Herrschaftsanspruches wird unterschätzt, wenn man den Blick allein auf terroristische Gewalttaten und die archaische Scharia Justiz richtet. Die Kämpfe und das Leiden im Nahen Osten bergen nicht nur ökonomische und sicherheitspolitische Risiken. Aufgrund der Präsenz des Islam in Deutschland sind sie auch gesellschaftlich und innenpolitisch brisant geworden. Was kann man gegen islamistische Gewalt und daraus folgende Konflikte hierzulande mit friedlichen Mitteln tun? Zu hoffen, der wahre, friedfertige Islam und die islamische Theologie würden die Gotteskrieger zur Vernunft bringen und weiterer Polarisierung vorbeugen, könnte ein geeignetes Gegengift sein, dessen Nebenwirkungen noch nicht erforscht sind. Das wirksamste, historisch erprobte Mittel gegen archaische Vorstellungen eines Gottesstaates mit „gottgefälliger“ Rechtsanwendung findet sich nicht in Religion und Theologie, sondern in der politischen Philosophie der Neuzeit und der Lehre vom demokratischen Verfassungsstaat. Deshalb, und weil es eine neue gesellschaftliche Spaltungslinie um den Islam von beiden Seiten zu überbrücken gilt, sollten Demokratie, Staatsbürgerkunde und politische Bildung mehr gegen den politischen und gewaltbereiten Islam helfen als der »wahre Islam«, um den seit dem Ableben des Propheten heftig und oft gewaltsam gestritten wird. Ein Ende dieses Streits ist nicht absehbar, solange die Religion politisch aufgeladen bleibt und keine oberste Glaubensinstanz existiert, die diesen Zustand beenden könnte.