Traum und Gedächtnis. Lernen wir im Schlaf?
- 13.11.2015
- Immer wieder liest man in den Medien Werbung für faszinierende Produkte: „Beliebiges Wissen mühelos im Schlaf erlernen - nur 29,95 Euro“. Kann man sich im Schlaf Vokabeln anhören und spricht am nächsten Tag fließend die Fremdsprache? Leider nicht. Allerdings ist die Aussage, das Gedächtnis ließe sich im Schlaf verbessern, an sich richtig. Ein Beispiel: In einem viel zitierten Experiment mussten Versuchspersonen die räumliche Position von 15 Bildpaaren auswendig lernen; ähnlich dem Kinderspiel Memory. Dabei waren die Probanden Rosenduft ausgesetzt. Wurde dieser Geruch während des Schlafes erneut präsentiert, zeigten sich am nächsten Tag bessere Gedächtnisleistungen! „Mühelos“ – wie in der Werbung suggeriert – war dies allerdings nicht; die 15 Bildpaare mussten ja initial gelernt werden. Warum aber führt der Duft zu einer Gedächtnisverbesserung? Um den Effekt zu verstehen, muss man wissen, dass unser Gehirn nicht über einen einheitlichen Gedächtnisspeicher verfügt, sondern das Gedächtnis aus diversen Untersystemen besteht. Neue Informationen werden in einer im Gehirn tief liegenden Struktur, dem Hippocampus, zunächst zwischengespeichert und dabei mit bereits vorhandenen Gedächtnisinhalten verknüpft. Danach werden diese neuen Gedächtniseinträge Schritt für Schritt in die äußere Hirnrinde, den Neocortex, übertragen und gefestigt; und das - zumindest in Teilen – im Schlaf! Der Hippocampus fungiert demnach als „Trainer“ des Neocortex und in obigem Experiment unterstützt der Rosenduft diesen Trainer dadurch, dass er während des Schlafens signalisiert, was trainiert werden soll. Sehen wir von Sigmund Freuds Idee ab, dass sich im Schlaf unser ES austobt, spiegeln Träume diesen Trainingsprozess wider, und wenn der Trainer einmal strauchelt, können natürlich auch bizarre Traumbilder entstehen. Aber warum verfügen wir überhaupt über einen schnellen Zwischenspeicher, der nach einiger Zeit gelöscht wird, und ein langsames System, das immer wieder trainiert werden muss? Wäre es nicht sinnvoller, jegliche Information direkt ins Gedächtnis zu überführen. Nein! Stellen Sie sich vor, ihr Gehirn würde dauerhaft jeden Vogel abspeichern, den Sie in Ihrem Leben gesehen haben. Ihr Gedächtnis wäre angefüllt mit Unmengen an Federvieh und Sie hätten buchstäblich einen Vogel. Nur durch langsames Lernen können Regelhaftigkeiten aus alltäglichen Eindrücken extrahiert werden. Und nur somit sind wir in der Lage in unserem Gedächtnis das Bild eines prototypischen Vogels anzulegen, und damit ein Exemplar dieser Gattung, dem wir zum Beispiel bei einem Zoobesuch zum ersten Mal begegnen, als „Vogel“ zu kategorisieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Schlaf von immenser Bedeutung ist, um neue Informa tionen im Gedächtnis zu verankern. Träume sind nicht immer Schäume, leider nützt es allerdings nichts sich ein Französischbuch unter das Kopfkissen zu legen, um am nächsten Tag in Paris mit frankofonem Zungenschlag ein Croissant zu bestellen. Damit eine Gute Nacht und einen lehrreichen Schlaf!