Ungleiche Einkommen. Wir die Schere zwischen Arm und Reich immer größer?
- 13.11.2015
- Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. So jedenfalls wird es gesagt. Aber stimmt das auch? Und wenn ja, sollte etwas dagegen getan werden? Ungleiche Einkommen sind an sich nicht etwas Schlechtes. Aus ökonomischer Sicht brauchen wir Unterschiede beim Einkommen, um zum Beispiel unterschiedliche Anstrengungen bei der Bildung oder die Übernahme größerer Verantwortung honorieren zu können. Für die Beantwortung der Frage, wie groß die Unterschiede sind und ob diese in den letzten Jahren gewachsen sind, kann man bildlich gesprochen wie folgt vorgehen: Stellen Sie sich vor, eine Torte wird in exakt gleich große Stücke geschnitten. Dieser Fall entspräche einem gleichen Einkommen für alle und dient als Vergleichsgröße. Auf der Basis von Umfragedaten schaut man sich dann an, wie groß die tatsächlichen Tortenstücke sind, welchen Anteil am Gesamteinkommen die Einzelnen erhalten. Für jedes Tortenstück misst man, wie stark seine Größe von dem Tortenstück bei gleicher Verteilung abweicht. Diese Abweichungen werden dann zu einer Kennziffer zusammengefasst. Das Ergebnis ist der sogenannte Gini-Koeffizient, der zwischen 0 und 1 liegt. Bei einer Gleichverteilung hat er den Wert 0, bei einer starken Konzentration des Einkommens in wenigen Händen ist er nahe 1. Welche Ergebnisse liefert der Gini-Koeffizient für Deutschland? Das erste Ergebnis: Der Gini-Koeffizient des verfügbaren Einkommens ist in Deutschland niedriger als in fast allen anderen Ländern der Erde. Es gibt nur wenige Länder, in denen das Einkommen gleichmäßiger verteilt ist als in Deutschland. Eine Ursache ist, dass in Deutschland Einkommen über Steuern umverteilt wird. Beispielsweise wer den die Hartz-IV Leistungen auch aus den Steuern finanziert, die Menschen mit höheren Einkommen zahlen. Durch diese Umverteilung lag der Koeffizient zum Beispiel für das Jahr 2012 nur bei einem Wert von etwa 0,29. Das zweite Ergebnis: In den Jahren 2000 bis 2005 ist der Gini-Koeffizient tatsächlich angestiegen, seitdem aber ist kein klarer Trend mehr erkennbar. Letzteres mag überraschen. Gründe dafür sind zum einen, dass seit 2005 die Arbeitslosigkeit in Deutschland kontinuierlich zurückgegangen ist, was zu steigenden Arbeitnehmereinkommen führte. Zum anderen sind die Einkommen aus Vermögen während der Wirtschafts- und Finanzkrise zurückgegangen, was ebenfalls dämpfend auf die Ungleichheit der Einkommen gewirkt hat. Ist also alles gut? An zwei Dingen sollte auch aus ökonomischer Sicht weiter gearbeitet werden: Zum einen bleibt es eine wichtige Aufgabe, dass niedrige Einkommen nicht zu schlechteren Bildungschancen führen. Denn das wäre nicht nur gesellschaftlich, sondern auch ökonomisch ein Eigentor. Zum anderen sollten die hohen Einkommen allen nützen. Das geschieht, indem Steuern darauf gezahlt werden. Doch wenn es ums Geld geht, werden Menschen kreativ. Deshalb bleibt die Bekämpfung der Steuerflucht wichtig, wobei dieses Problem international gelöst werden muss.